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Die Weiße Ordnung

Titel: Die Weiße Ordnung Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: L. E. Modesitt
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verzweifelt den Gedanken an das Buch wegzuschieben, das im Schrank des Arbeitszimmers eingesperrt war. Noch schwerer fiel es ihm, nicht an den Schlüssel zu denken, der in der versteckten Nische neben der Tür hing.
    »Es ist ja nicht so, dass …«, murmelte er. Dass? Dass er stehlen würde? Er würde dem Buch keinen Schaden zufügen. Er könnte es im dunklen Arbeitszimmer lesen. Wissen stehlen? Gehörte denn das Wissen jemandem? Blieben deshalb die Magier an der Macht – weil sie ihr Wissen für sich behielten?
    Cerryl wälzte sich auf die andere Seite und starrte durch die Dunkelheit auf die Deckenbalken. Er hätte am liebsten laut geseufzt, aber das würde ihm auch nicht weiterhelfen. Es schien fast, als riefe das weiß verstaubte Buch nach ihm.
    Tellis hatte nicht gesagt, dass es niemand außer ihm lesen dürfte; niemand außer ihm sollte es abschreiben. Cerryl zuckte zusammen bei diesem Versuch der Selbsttäuschung. Keiner sollte es sehen; die Weißen Magier wollten vermeiden, dass es außer von dem Handwerker ihres Vertrauens von irgendjemandem gelesen wurde. Einem Handwerker, der der Sohn eines Magiers war?
    Früher oder später finden sie ohnehin heraus, dass ich mit Chaos umgehen kann … wenn sie es nicht sogar schon wissen. Ist es da nicht besser, ich lerne jetzt und so viel ich kann? Cerryl versuchte, diesen Gedanken zu verdrängen. Er drehte sich wieder zur Seite. Dann auf die andere. Wenige Sekunden später starrte Cerryl schon wieder zur Decke.
    Schließlich setzte er sich auf und schwang die Beine über die Bettkante, ließ sie jedoch noch nicht den kalten Steinboden berühren. Dann stand er auf. Er öffnete die Kammertür und suchte mit den Augen den dunklen, stillen Hof ab. Nur der Wind raschelte leise und draußen auf der Straße fuhr quietschend ein Wagen vorbei.
    Cerryl atmete tief ein. Nur mit Unterwäsche und Jacke bekleidet, schlich er geräuschlos über den Hinterhof. Die Tür zum Hauptraum knarrte leise, als er sie hinter sich schloss und um den Tisch herum in die Küche schlüpfte.
    Im Arbeitszimmer angekommen, zündete er keine Kerze an, sondern vertraute allein auf seine Sehkraft. Der Schlüssel glitt aus der Nische in seine Hand und das Schrankschloss gab keinen Laut von sich, als er den Schlüssel darin umdrehte. Das Buch lag in der ersten Schublade und wurde vom Chaos-Staub, der es bedeckte, für Cerryls Sinne erleuchtet. Einen Augenblick lang sah er das kostbare Stück nur an.
    Keiner der Weißen Magier konnte herausfinden, dass Cerryl es gelesen hatte, denn seine eigenen schwachen Chaos-Spuren würden von ihrer viel größeren Chaos-Macht verdeckt werden. Dennoch wusch er sich die Hände mit dem kühlen Wasser, das noch im Krug war. Er wollte auch noch den letzten Rest der Chaos-Energie vermindern, die in ihm zu fließen und aus seinen Fingern zu quellen schien. Er trocknete sich die Hände mit seinem eigenen Handtuch – es war noch feucht vom letzten Händewaschen vor dem Abendessen – und wandte sich dem Buch zu. Er trug es zum Vorlagenhalter und öffnete es ungefähr in der Mitte, dort wo er den Beginn des zweiten Teiles vermutete.
    In der Dunkelheit musste er sich trotz seiner besonderen Sehkräfte sehr anstrengen, um die Worte auf der aufgeschlagenen Seite lesen zu können.
     
    Ein Magier muss Ordnung zu Hilfe nehmen, um das Chaos lenken zu können, denn nichts sonst kann die reinen Flammen des Chaos fassen; doch darf er sich von dieser Ordnung nicht nötigen lassen, da sonst seine Macht, das Chaos für Gutes einzusetzen, geschwächt wird …
     
    Cerryl blätterte weiter. Er brauchte Antworten, keine Philosophie.
     
    … es gibt zwei Arten des Heilens: Der Körper wird mithilfe der Ordnung gestärkt und unter Einsatz von Chaos werden alle erdenklichen Krankheitskeime zerstört, die durch die Elemente der Welt hervorgerufen werden und das Gewebe sterben lassen … Die zweite Art umfasst die Feststellung der Krankheitsursache durch den Magier … Seine Energie darf nur diese Ursache zerstören und nichts anderes, denn jede weitere Zerstörung würde auch den Kranken töten …
     
    Cerryl hätte sich am liebsten die Haare gerauft. Wie sollte er Chaos-Energien in einem Körper konzentrieren können? Er verstand die jeweiligen Grundgedanken, auch jene, die ihm bis jetzt nicht bekannt gewesen waren. Aber die Technik war das Wichtigste und nicht das Philosophieren über diese Techniken. Er blätterte noch einige andere Seiten durch.
     
    … jene, die die Feuer der Lüfte

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