Die Weiße Ordnung
was er sagen sollte, also wartete er, bis der Mann mit dem Lachen fertig war.
»Und du warst natürlich nicht davon abzubringen, du bist schließlich Tellis’ Lehrling. Verial war genauso wie du. Zwei Goldstücke habe ich deinem Meister versprochen und zwei Goldstücke soll er auch bekommen. Für dich ein Silberling und zwei für ihn.«
Cerryl hatte Mühe, seine Kiefer zusammenzuhalten, als Muneat ihm einen kleinen Lederbeutel und ein Silberstück gab. »Die Münzen für deinen Meister sind in der Börse. Der Silberling gehört dir.«
»Ich danke Euch, Ser.« Cerryl verbeugte sich tief. »Auch im Namen von Meister Tellis.«
»Es ist mir stets ein Vergnügen, mit Tellis Geschäfte zu machen. Stets ein Vergnügen.« Muneat lächelte. »Ich freue mich, dich kennen zu lernen, Junge. Dein Name?«
»Cerryl, Ser.«
»Cerryl. Ein anständiger Name. Einen guten Tag wünsche ich dir noch.« Muneat lachte noch einmal wohlwollend und nickte seinem Seneschall zu.
Shallis ging um seinen Meister herum und öffnete die Tür.
»Danke, Ser«, rief Cerryl noch einmal.
»Und richte deinem Meister Grüße von mir aus. Sag ihm, ich hätte noch einen Auftrag in etwa einem Achttag.«
»Ja, Ser.«
Cerryl stand auf dem Fußweg vor dem Springbrunnen und betrachtete das Silberstück und die Börse, dann steckte er die Börse unter sein Hemd und den Silberling in den Schlitz an der Innenseite des Gürtels – den sichersten Platz für eine Münze. Von Taschendieben hatte er zwar bislang noch nichts gehört in Fairhaven, aber er war auch nicht sonderlich erpicht darauf, deren Existenz am eigenen Leib zu spüren.
Von der Straße aus warf Cerryl noch einmal einen Blick zurück auf das Haus – oder den Palast – und dann auf die Straße, an der etwa ein halbes Dutzend derartiger Häuser stand. Er schüttelte den Kopf. Cerryl besaß keine Vorstellung davon – wirklich nicht die geringste Vorstellung –, was Reichtum bedeutete. Dylert hatte er schon für einen reichen Mann gehalten. Er schüttelte noch einmal den Kopf, dann machte er sich auf den Rückweg und bildete sich ein, er könnte noch immer den Blumenduft riechen, der Meister Muneats prunkvolles Heim erfüllte.
Und die rote Robe – wie reich musste man sein, um an einem Werktag ein solches Kleid tragen zu können? Cerryl überquerte rasch den Marktplatz, lief vorbei an den Juwelieren, über den Platz der Handwerker und die Straße hinauf zu Tellis; an das Silberstück in seinem Gürtel versuchte er nicht zu denken. Ausgeben könnte er das Silber jederzeit, mit dem Verdienen tat er sich da schon schwerer. Er schüttelte den Kopf – jemand wie Meister Muneat hätte damit sicher kein Problem.
Beim Schreiber angelangt, marschierte Cerryl geradewegs durch den Ausstellungsraum ins Arbeitszimmer. Tellis saß zusammengesunken am Arbeitstisch.
»Geht es Euch gut, Ser?«
Tellis richtete sich langsam auf. »War er zu Hause? Hast du es ihm gegeben?«
»Ja, Ser.« Cerryl überreichte die Börse. »Er hat mir das gegeben und gesagt, dass sich darin zwei Goldstücke und zwei Silberstücke für Euch befänden.«
Tellis’ Gesicht hellte sich auf. Mit zitternder Hand nahm er die Börse und öffnete sie.
Münzen sprangen über den Tisch.
»Das sind drei Silberstücke und zwei Goldstücke. Hast du nicht nachgezählt?«
»Ser … er hat mir die Börse mit diesen Worten in die Hand gedrückt. Ich wollte sein Wort nicht vor seinen Augen infrage stellen.«
»Muneat spielt zwar seine Spielchen, aber großzügig ist er – im Gegensatz zu manch anderen.« Ein schiefes Lächeln umspielte Tellis’ Lippen. »Hat er dir auch etwas gegeben?«
»Ja, Ser. Ein Silberstück habe ich bekommen.«
»Schön. Heb es gut auf.« Das Lächeln verschwand. »Glaub aber ja nicht, dass du dergleichen bald wieder erleben wirst.«
»Nein, Ser. Das weiß ich.« Cerryl hielt inne. »Meister Muneat sagte, er hätte noch etwas für Euch in einem Achttag.«
»Hat er das Buch aufgeschlagen, während du noch dort warst?«
»Nein, Ser.«
Tellis nickte langsam.
»Ser … warum … ich meine … ich saß im Foyer … polierter Marmor …«
»Er ist sehr reich«, erzählte Tellis und massierte dabei seine Stirn. Cerryl sah er dabei nicht an. »Er ist einer der größten Getreidekommissionäre in ganz Candar. Ich glaube, er besitzt sogar einige Schiffe in Lydiar.«
Cerryl blickte sich in dem nun sehr beengt wirkenden Arbeitsraum um, der nicht größer war als das vordere Foyer in Muneats kleinem Palast.
»Er ist
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