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Die Weiße Rose

Die Weiße Rose

Titel: Die Weiße Rose Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Inge Scholl
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jede Möglichkeit, die Spur zu verdecken, beachtet war. Freude und das Gefühl des Erfolgs, Kummer und Sorge, Zweifel und Wagnis – so gingen die Tage dahin.
     
    Immer häufiger erschienen in den Zeitungen kurze Nachrichten über Todesurteile, die der Volksgerichtshof über einzelne Menschen verhängt hatte, weil sie sich gegen den Tyrannen ihres Volkes erhoben, und sei es nur in Worten. Heute war es ein Pianist, morgen ein Ingenieur, ein Arbeiter oder der Direktor eines Werkes. Dazwischen Priester, ein Student, oder ein hoher Offizier, wie Udet, der genau in dem Augenblick abstürzte, als er unbequem zu werden begann. Menschen verschwanden lautlos von der Bildfläche, erloschen wie Kerzen im Sturmwind. Und wer nicht lautlos verschwinden konnte, bekam ein Staatsbegräbnis. Ich erinnere mich noch genau an die Beerdigung Rommels. Obwohl es ein offenes Geheimnis war, daß ihn Hitlers Schergen zum Selbstmord gezwungen hatten, war in Ulm alles, was eine braune Uniform besaß, aufgeboten worden, um der Feier beizuwohnen, vom kleinsten Pimpf bis zum ältesten SA -Mann. Und ich entsinne mich noch, wie ich an den Fahnen vorbeischlich, um sie nicht grüßen zu müssen. Die letzten Seiten der Zeitungen waren bedeckt mit den Todesanzeigen der Gefallenen, mit den eigentümlichen eisernen Kreuzen. Die Zeitungen sahen aus wie Friedhöfe.
    Nur die Titelseite vorne hatte einen anderen Charakter. Sie war bestimmt durch unerträglich große Schlagzeilen wie diese: »Haß ist unser Gebet – und der Sieg unser Lohn.« Und dicke rote Balken waren daruntergesetzt, die aussahen wie zorngeschwollene Adern.
    Haß ist unser Gebet …
    Wir werden weitermarschieren, bis alles in Scherben fällt …
    Die Zeitungen waren wie Minenfelder. Es bekam einem nicht gut, sie zu durchwandern. Wie ein Minenfeld war die ganze Zeit, war ganz Deutschland – armes, verdunkeltes Vaterland.
    Die Zeitungen waren verschwiegen und wortkarg, nicht nur wegen der Papierknappheit. Sie hatten die Aufgabe, die totale Verdunklung des deutschen Geistes mitzuvollziehen. Sie verrieten kein Wort von dem Dorfgeistlichen, der ins Gefängnis gebracht wurde, weil er einen erschlagenen Kriegsgefangenen, der in seinem Dorf Zwangsarbeit hatte tun müssen, öffentlich in sein sonntägliches Vaterunser eingeschlossen hatte.
    Sie berichteten kein Wort davon, daß täglich nicht nur ein Todesurteil, sondern Dutzende gefällt wurden. Die Wochenschau schaute weiß Gott nicht in die Gefängnisse, die beinahe barsten vor Überfüllung, obwohl ihre Insassen mehr Schatten und Skeletten als menschlichen Körpern glichen. Sie sah nicht die blassen Gesichter dahinter, sie hörte nicht die klopfenden Herzen, nicht den stummen Schrei, der durch ganz Deutschland ging.
    Sie erwähnte nicht die junge Frau, die nach dem Fliegerangriff mit dem einzigen, was ihr geblieben war im kleinen Reisekoffer, ihrem toten Kind, durch Dresden irrte und einen Friedhof suchte, es zu begraben.
    Sie konnte auch nichts von dem einfachen deutschen Soldaten wissen, den plötzlich mitten in Rußland ein Grauen überfiel, als er eine Mutter furchtlos zwischen den Fronten einhergehen sah, entschlossen ihr totes Kind an der Hand nachziehend, von dem sie sich auch bei gütlichstem Zureden nicht zu trennen gedachte.
    Die Zeitung konnte auch dem Gespräch nicht zuhören, das zwischen dem Freund meines Vaters und einem Gefängnisgeistlichen in einem Kurort stattfand, in dem sich der Geistliche von einem Nervenzusammenbruch erholte. Er hatte täglich mehrere Todeskandidaten zum Schafott begleiten müssen.
    Die Zeitung hatte auch nicht das fahle Gesicht jenes Häftlings gesehen, der nach der Verbüßung seiner Gefängnisstrafe zuerst strahlend an der Pforte erschien, um seinen Entlassungsschein und seine kleinen Habseligkeiten in Empfang zu nehmen, statt dessen jedoch einen Einweisungsbefehl in ein Konzentrationslager erhielt. Es erschien uns manchmal wie ein Wunder, daß es doch noch Frühling wurde. Der Frühling kam und brachte Blumen in die entleerte und rationierte Welt, er brachte Hoffnung, und die Kinder auf den Straßen spielten ihre uralten Spiele. Und in der Straßenbahn Münchens sangen ein paar Kinder unbekümmert: »Es geht alles vorüber, es geht alles vorbei – auch Adolf Hitler und seine Partei.« Sie waren auf ihre Art vogelfrei.
    Die Erwachsenen aber, sie wagten kaum zu lachen, obwohl man ihnen ansah, welche Befreiung es für sie bedeutet hätte.
     
    An einem Abend wartete Sophie auf Hans. Sie wohnten

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