Die weiße Schmuggler-Jacht
auch
tatsächlich kein einziger zu sehen. Passagiere wurlten herum. Einige litten
unter Flugangst. Jedenfalls hatten sie käsige Gesichter und tupften sich
verstohlen Schweiß von der Stirn.
„Nun ist es an der Zeit“, sagte Karl, „daß
ich euch eine Info offenbare. Bis jetzt habe ich sie in meiner Seele
verschlossen, damit unsere Eltern nicht auf die Idee kommen, wir könnten in was
Gefährliches verwickelt werden. Aber euch bin ich die Erklärung schuldig. Nicht
wahr?“
„Mach’s nicht so spannend“, sagte Tim.
„Es geht schlicht darum, daß Tante Suzy
mir am Telefon sagte, wegen Süleymans Dolch könnte es zu Reibereien kommen. Zu
einer Art Wettlauf mit einem anderen Sammler von Blankwaffen. Denn der heiße
Tip, der Roswell Baker befeuert hat, ist offenbar auch zu dessen schärfstem
Konkurrenten gedrungen. Lincoln Pritchett heißt der, oder so ähnlich,
jedenfalls auch ein US-Bürger. Er und Baker nerven sich gegenseitig, indem sie
sich die besten Sammlerstücke wegschnappen. Aber Pritchett scheint ein rabiater
Typ zu sein, der vor Gewalt nicht zurückschreckt. Vielleicht gibt’s also
Keilerei auf Rhodos.“
„Na und?“ meinte Tim. „Was ist daran
unangenehm? Wir wollen doch nicht nur faul in der Sonne liegen. Wenn Pritchett Ärger
macht, wird er Rhodos sein Lebtag lang nicht vergessen.“
„Der Schlamassel beginnt“, seufzte
Gaby: „Die Jagd nach dem Dolch. Keilerei. Ich kann nur hoffen, daß wenigstens
Kathrin und Dietmar Uhl auf die Reise verzichten.“
Sie hatte ihren Freunden bereits
erzählt: von den Hoteldieben, die vermutlich auch Rauschgift schmuggelten.
„Gesehen hast du sie heute noch nicht?“
fragt Tim.
Sie schüttelte den Kopf. „Aber das
heißt ja nichts — bei diesen Menschenmengen. Vielleicht kommen sie in letzter
Minute oder sind schon an Bord.“
Sie blickte umher. Karl und Klößchen
hatten zwar keine blasse Ahnung vom Aussehen der Uhls, spähten aber trotzdem.
Hoteldiebe, Rauschgiftschmuggler! Die mußten doch irgendwie zu erkennen sein.
Tims Blick ruhte auf Gaby. Nur wenige
Tage hatte die Trennung gedauert. Aber nicht sattsehen konnte er sich. Er
machte es unauffällig, damit man ihn nicht für bescheuert hielt. Ihr Goldhaar
leuchtete. Wer sie nicht kannte, mußte denken, sie hätte die Wimpern getuscht.
Aber die waren echt, seidig und lang. Zur Reise trug sie einen hellblauen
Leinenanzug mit bananenfarbenem T-Shirt.
Die Jungs trugen dieselben
Gammelklamotten wie sonst. Den stärksten Eindruck im Hotel, hatte Klößchen
erklärt, mache man sowieso mit dem Gepäck. Und er war besonders stolz auf
seinen gelben Koffer.
„Die Uhl ist nicht zu sehen“, sagte
Gaby. „Ihn kenne ich nicht.“
„Vielleicht haben sie’s sich überlegt“,
meinte Karl, „und fliegen nach Marbella. Weil dort der Geldadel Urlaub macht.“
„Meine lieben Eltern, zum Beispiel“,
fügte Klößchen hinzu. „Stellt euch vor, sie werden beklaut. Das wäre zwar
bedauerlich, aber immer noch besser, als wenn wir zwischen zwei Feuern stehen:
zwischen Pritchett und den Uhls, meine ich. Süleymans Dolch hält uns bestimmt
in Atem. Übrigens habe ich meinen mitgebracht.“
Er öffnete seine Bordtasche. Sie
enthielt Geldbeutel, Paß, 14 Tafeln Schokolade und — ein Schnappmesser mit
feststellbarer Klinge.
Klick! — ließ er die Klinge
herausspringen. Dreimal machte er das seinen Freunden vor.
Tim sah ihn an wie einen
Schwachsinnigen.
„Jetzt fliegen wir zum dritten Mal
gemeinsam, Willi! Nach unseren Flügen via (auf dem Wege) Tunis und
Marbella weißt du immer noch nicht, daß Waffen verboten sind. Deinetwegen wird
man uns alle für Luftpiraten halten.“
„Oh!“ Klößchens Mondgesicht spiegelte
Zerknirschung. „Hast recht! Wie konnte ich das vergessen! Aber vielleicht
entschärfe ich die Situation, indem ich das Messer gleich vorzeige. Da erstickt
doch jeder Verdacht im Keim. Höchstens, daß die Stewardess mich ein bißchen im
Auge behält.“
„Vielleicht legen sie dir Handschellen
an“, sagte Tim, „um ganz sicher zu gehen. Weshalb, zum Henker, schleppst du
dein Messer mit?“
„Wegen der Haie.“
„Was?“
„Na, ist die Insel Rhodos vom
Mittelmeer umspült — ja oder nein? Wo soviel Wasser ist, sind auch Haie. Wenn
mir einer begegnet, drohe ich ihm mit dem Edelstahl. Ich hoffe“, fügte er
kleinlaut hinzu, „das wirkt.“
„Höchstens bei einem Typ wie mir“,
meinte Karl lachend. „Wenn dich ein Hai sieht, läuft ihm das Meerwasser im
Rachen
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