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Die weiße Schmuggler-Jacht

Die weiße Schmuggler-Jacht

Titel: Die weiße Schmuggler-Jacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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wäre das Schlimmste. Mir ist nur
das Zweitschlimmste passiert. Sozusagen ein Schlüsselerlebnis — nämlich
bestimmend für meine Zukunft. Ich weiß jetzt, wer Tarzan ist.“
    „Du meinst, du kennst dich selbst?“
    „Nein. Ich meine den Typ, dessen Namen
man mir als Spitznamen aufgepfropft hat. Eben konnte ich den Hollywood-Tarzan
auf der Leinwand bewundern: einen halbfertigen Bodybuilder im Lendenschurz.
Gesprochen hat er eigentlich nichts. Hat nur ein paar Mal gebrüllt, daß die
Urwald-Kulisse wackelte. Einen Gorilla hat er erwürgt und ein Krokodil. Mit dem
Messer hat er einen Löwen abgeschlachtet. Wenn das die Tierschützer erfahren!
Ehrlich, es war der letzte Schwachsinn — und dieser Dschungelheld ist eine
total beknackte Nuß. Ich bin entsetzt. Mehr noch: empört. Der Spitzname
beleidigt mich. Hätte ich das eher gewußt! Ich bin stolz auf meine Eins in
Mathe. Mit diesem Tarzan habe ich nur eins gemeinsam: Auch ich mag Bananen.“
    Lachend sank Susanne Carsten in einen
Sessel. „Du Armer! Aber was soll denn nun werden?“
    „Ich heiße Peter. Wozu brauche ich
einen Spitznamen? Nach den Ferien werde ich am Schwarzen Brett eine
Bekanntmachung veröffentlichen. Peter Carsten heißt nicht mehr Tarzan.
Zuwiderhandlungen werden mit schmerzhaften Griffen geahndet. Das heißt, wer
mich Tarzan nennt, kriegt Kloppe. Das gilt“, er lachte, „auch für die Pauker.
Außerdem verfasse ich sofort einen Brief mit zwei Durchschriften. An meine
Freunde. Aus ist’s mit Tarzan! Man nenne mich Peter.“
    „Ein ernstes Problem“, foppte sie ihn. „Komisch.
Ich habe immer gedacht, mit dem Spitznamen Tarzan hätten sie deinen zweiten
Vornamen veralbert. Weil der auch mit T anfängt und... naja.“
    Er riß die Augen auf und hockte sich
neben den Sessel.
    „Wie bitte? Ich habe einen zweiten
Vornamen?“
    „Aber das weißt du doch. Er steht auf
der Geburtsurkunde und auf dem Taufschein.“
    „Neiiiiin! Ich weiß nichts. Bin
ahnungslos wie ein Regenwurm. Bei Geburt und Taufe — da war ich zwar dabei.
Aber es ist so enorm lange her. Und ich habe nicht Karls Gedächtnis. Der
erinnert sich an noch frühere Zeiten. In meinem Ausweis, Mutti, steht Peter
Carsten. Sonst nichts. Wie heiße ich denn nun?“
    „Stimmt. In deinen Ausweis habe ich den
zweiten Namen nicht eintragen lassen, weil er erstens nur eine Erinnerung an
deinen Großvater ist — väterlicherseits — und zweitens... Nun, er ist etwas ungewöhnlich,
aber hübsch die Abkürzung.“
    „Ich platze vor Neugier.“
    „Dann sollst du noch ein bißchen
zappeln. Auf deinen Großvater kannst du stolz sein. Ich habe ihn gekannt. Er
starb, als du anderthalb warst. Fast 91 Jahre ist er geworden. Und noch mit 88
hat er als Bergsteiger Dreitausender bezwungen. Er schwamm wie ein Delphin. Die
Sportlichkeit hat sich von ihm über Vati auf dich vererbt. Mit mir ist ja nicht
viel los auf dem Gebiet. Und...“
    „Im Mini-Golf bist du ne Wucht“, flocht
er schnell ein.
    „Danke! Jedenfalls war dein Großvater
nicht nur sportlich, sondern auch sonst ein prachtvoller Mann. Er war
klassischer Archäologe (Altertumsforscher). Nach dem frühen Tod der Oma
hat er sein halbes Leben in Griechenland verbracht. Er liebte das östliche Mittelmeer,
die Länder des Vorderen Orients — die Wiege der Menschheit, wie er zu sagen
pflegte.“
    „Mutti, du spannst mich auf die Folter.
Wie hieß er?“
    „So wie der Gehilfe des Apostel Paulus.“
    „Alles klar.“
    „Wirklich?“
    „Hm. Wieso brauchte Paulus eigentlich
einen Gehilfen?“
    „Du bist nicht sehr bibelfest, wie?“
    „Edwin Niemüller aus der 9 c kennt die
Bibel besser. Er will Pfarrer werden.“
    Sie legte ihm den Arm um die Schulter. „Würde
dir Tim gefallen?“
    „Tim? Tim! Nicht übel. Heiße ich so?
Sag bloß, der Apostel Paulus hatte einen Gehilfen, der... Hahahah! Das glaube
ich nicht.“
    „Tim ist die Abkürzung. In voller Länge
wird daraus Timotheus.“
    Er fiel auf den Teppich und lachte, bis
ihm Tränen in die Augen traten.
    „Timotheus! Herrlich! Aber das
verschweigen wir lieber. Tim genügt völlig. Ohne den Otheus. Mutti, wozu
brauche ich einen Spitznamen? Bin ja bestens ausgerüstet — dank deiner und
Vatis Weitsicht damals, als ich das Licht der Welt erblickte.“
    Nach dem Abendessen setzte er sich in
seinem Zimmer an den Schreibtisch. Der war wuchtig und alt, ein
Familienerbstück. Schon Großvater Timotheus hatte an ihm gesessen, und Peters
Vater natürlich auch.
    Dem ehrfürchtigen Gedanken

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