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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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Leuchtfeuer von Kap Rock zufuhr.
    »Was fragst du?«
    »Ob das Kind noch sehr klein ist.«
    »Ich glaube, es läuft schon. Warum?«
    »Wir haben keine Babyküche an Bord.«
    »Jesus«, stöhnte Koslowski, die Karte zurückschiebend, »es wäre nicht das erste Kind, das ohne Babyküche auskommen muß! Vielleicht trinkt es auch noch Muttermilch, was weiß ich! Jedenfalls ist es ein Junge. Und die Frau von dem Deutschen ist weiblichen Geschlechts. Genügt das?«
    »Raus!« sagte der Kapitän. »Und schlaf dich aus. Du hast ab zwei Uhr früh Wache.«
    »Du willst ihn dir nicht ansehen?«
    »Ich weiß, wie ein Mensch aussieht«, gab der Kapitän zurück.
    Koslowski holte tief Luft. In der Tür sagte er grinsend: »Du machst Fortschritte.«
    An der Reling traf er Kolberg, der den Sampanfahrer beruhigte. Er nahm ihn beiseite und erklärte ihm kurz, was er mit dem Kapitän besprochen hatte.
    »Eine Dschunke müssen Sie schon selber ausfindig machen. Wie, das weiß ich nicht. Lassen Sie sich was einfallen. Meinetwegen klauen Sie eine, mir ist es egal. Wir laufen jedenfalls Punkt vier Uhr aus. Wir fahren südlich an Kap Rock vorbei. Verfehlen werden Sie unseren Kahn ja nicht, dafür ist er zu groß ... « Er blickte sich um und fügte hinzu: »Und zu weiß. Wie ein Jungfernhemd. So, und nun schieben Sie ab, Sie Glückspilz. Wir erwarten noch weiteren Besuch. Vom Zoll.«
    Er drückte Kolbergs Hand und zwinkerte ihm dabei zu. Er sah dem Flieger nach, bis er wieder in dem Sampan saß, dann ging er unter Deck. Der Matrose Novik begegnete ihm am Aufgang. Koslowski blieb einen Augenblick stehen, blinzelte in die Sonne, die unbarmherzig auf die Planken brannte, und sagte dann zu Novik: »Wenn du mich noch einmal weckst, bevor dieses Gestirn da untergegangen ist, lernst du deinen Ersten Steuermann von einer Seite kennen,
    die im Handbuch der Seeschiffahrt noch nicht verzeichnet ist!«
    Er kniff ein Auge dabei zu, und Novik antwortete schlau: »Okay, Genosse Koslowski, ich sage dem Zoll, daß Sie die Krätze haben, falls die zu Ihnen wollen.«
    »Keuchhusten genügt auch«, knurrte Koslowski. Er fühlte sich zerschlagen, und während er die Treppe hinabstieg, verfluchte er detailliert alle Whiskyfabriken Schottlands, insbesondere die von Johnnie Walker und Long John, weil ihre Produkte gut schmeckten, aber so unangenehm nachwirkten. Ein hinterhältiges Volk, diese Schotten!
     
    *
    Es hieß zwar in Hongkong, daß es unter den Chinesen, die dort wohnten, kein Geheimnis gäbe, aber diese Behauptung traf nur bedingt zu. Ein Geheimnis war beispielsweise ein von der britischen Polizei sehr geschickt aufgebautes Netz von Spitzeln in allen jenen Gegenden, in denen Chinesen in großer Zahl zusammen lebten. Chinesen hatten nach den Erfahrungen der Engländer immer etwas zu verbergen. Von einfacher Schmuggelei über organisierte Verbrechen bis zu den politischen Delikten gab es vielerlei, wofür die Behörden der Kolonie sich brennend interessierten. Deshalb erwiesen sich eine Anzahl bereitwilliger Chinesen für sie als äußerst nützlich. Sie konnten sich unauffällig unter ihren Landsleuten aufhalten, sich in ihr Vertrauen einschleichen und der Polizei in den unübersichtlichen Wohngebieten der Einheimischen manche Hilfe leisten. Da sich herausgestellt hatte, daß sich solche Zuträger nach einer gewissen Zeit meist selbst verrieten, weil sie mit dem Handgeld, das die Polizei ihnen gab, auffallend über ihre Verhältnisse lebten, gehörte es zum Prinzip der Engländer, ihre Spitzel in bestimmten Abständen zu wechseln. Das erschwerte zweifellos ihre Entlarvung. Auch die schwimmende Dschunkensiedlung in der Bucht von Aberdeen war in das britische Spinnennetz eingeschlossen. Die Leute ahnten das; auch der alte Yen wußte, wie sich die Sache verhielt. Dennoch hatte er keine Ahnung, daß knapp dreißig Meter von ihm entfernt das Boot eines Mannes ankerte, der seit einigen Wochen seine Augen für die Engländer offenhielt.
    Dieser Mann hieß Lo Wen. Er war wegen einer geringfügigen Betrügerei beim Fischverkauf vor die britischen Behörden zitiert und vor die Wahl gestellt worden, entweder Polizeispitzel zu werden oder eine Strafe zu bekommen. Er hatte sich für das erstere entschiede.
    Am Mittag hatte er hinter einer ausgespannten Plane auf dem Vorderdeck seiner Dschunke gelegen und die Mischlingsfrau mit dem Jungen auf das Boot des alten Yen steigen sehen. Zunächst dachte er sich nichts dabei. Es kam nicht selten vor, daß Touristen sich von

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