Die weissen Feuer von Hongkong
ist. An einem unfreundlichen Septembermorgen entsteigt auf dem Flugplatz von Seoul ein weißhaariger siebzigjähriger Mann einer amerikanischen Transportmaschine, die direkt aus den Staaten kommt.
Jener Mann, der mit verkniffenem Gesicht die Umgebung mustert, die ihm sehr fremd geworden ist, heißt Li Syng-man. Er stellt sich als Syngman Rhee vor, Doktor der Philosophie an der Universität Harvard. Seit fünfundzwanzig Jahren ist er nicht mehr in Korea gewesen. Er hat eine Karriere hinter sich, die aufhorchen läßt. Bereits vor seinem Exil lebte, und studierte er in den Vereinigten Staaten, und seit den zwanziger Jahren propagierte er dort eine Intervention der USA in Korea. Das State Department schickte ihn als Sachverständigen zum Völkerbund nach Genf, wo er sich bald zum Botschafter Koreas ernannte. Niemand hinderte ihn daran. Er heiratete die Österreicherin Franziska Donner, die sich in der Rolle einer Botschaftergattin recht wohl fühlte, besonders wenn sie an der Seite ihres Gemahls Cocktails anbot, um den Diplomaten der übrigen Welt zu beweisen, daß jenes ferne Land Korea einen weltgewandten Botschafter besaß.
Kein Koreaner weiß von diesem selbstgewählten Botschafter, doch das stört weder ihn persönlich noch seine amerikanischen Gönner. Li Syng-man kann warten. Und er wartet kühl und geduldig, bis seine Stunde kommt. Die Amerikaner stellen die Uhr für ihn. Als die Glocke anschlägt, bricht Li Syng-man auf.
Auf dem Flugplatz begrüßen ihn nur wenige Leute, aber das bekümmert den Mann nicht. Er geht an seine sorgfältig geplante Arbeit. Binnen kurzer Zeit beherrscht er die konservativste der zweihundert Parteien in Südkorea. Amerikas Soldaten sorgen dafür, daß er die Regierung ebenso fest in die Hände bekommt. Damit ist die erste Etappe seines Wirkens abgeschlossen. Gewiß, für die neue Regierung gäbe es im Lande manches zu tun; mehr als achtzig Prozent der Bauern besitzen kein Land, die Arbeiter in den von den Japanern angelegten Industriewerken schuften täglich zwölf Stunden für eine magere Reisration. Sonntage gibt es nicht. Von hundert Arbeitern sind zehn noch im Kindesalter. Schreiben und Lesen können nur wenige. Aber Li Syng-man hat andere Pläne. Korea ist Amerikas Brückenkopf, Sprungbrett für die »Rettung« Asiens vor dem Kommunismus. Es vergeht nicht viel Zeit, bis aus diesem Brückenkopf der Sprung gewagt wird. Knapp fünf Jahre nachdem Li Syng-man auf dem Flugplatz von Seoul gelandet ist, ein Jahr nachdem die Amerikaner ihr Spiel mit Tschiang Kai-schek als verloren aufgeben und nach Taiwan flüchten müssen, ist die Zeit reif. Man schreibt den 25. Juni 1950.
Der Plan ist einfach: Die junge Volksdemokratie im Norden wird überrannt, dann wird unter dem Vorwand, flüchtende nordkoreanische Truppen zu verfolgen, der Hauptstoß über den Yalu in die Mandschurei geführt, jenes am stärksten industrialisierte Gebiet Chinas. Sind die Chinesen einmal ihrer industriellen Basis beraubt, kann man sie immer weiter nach Süden treiben und aufreiben. Dieser Plan stammt zwar nicht von Li Syng-man, sondern vom Pentagon, aber Li Syngman schwört auf ihn. Und um die Rolle der USA dabei zu verschleiern, soll der erste Schlag ausschließlich von südkoreanischen Truppen geführt werden. Der Anschein einer »inner koreanischen« Auseinandersetzung soll, solange es geht, aufrechterhalten werden. Das gelingt jedoch nicht einmal für ein paar Tage, denn die Truppen des südkoreanischen Amerikaners Li Syng-man stoßen bereits in den ersten Stunden ihres Vorgehens auf äußerst heftigen und taktisch glänzend organisierten Widerstand, der ihren Mut zum Vorwärtsstürmen erstickt. Damit haben weder Li Syng-man noch das Pentagon gerechnet. Ebensowenig haben sie für möglich gehalten, daß die Truppen Nordkoreas die Angreifer binnen weniger Tage in die Flucht treiben und ihnen nachsetzen, um ihnen ein für allemal die Lust für derlei Abenteuer zu nehmen.
In dieser Zeit brennt die Erde in Korea. Die amerikanischen Berater der Li-Syng-man-Truppen flüchten mit Sack und Pack. General Douglas MacArthur, der Oberkommandierende der US-Streitkräfte in Asien, erhält in seinem Schlafzimmer im Dai Ichi Building in Tokio den Hilferuf des Colonels Sterling Wright, des Chefs der amerikanischen »Beratereinheiten« in Südkorea, und eilt zum Fernschreiber. Noch im Pyjama sendet er den ersten Hilferuf nach Washington ab. Dort beginnt das Spiel, in dessen Verlauf die amerikanische Invasion in Korea als
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