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Die weissen Feuer von Hongkong

Die weissen Feuer von Hongkong

Titel: Die weissen Feuer von Hongkong Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Thürk
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junge Männer, übermütig und von einer Selbstgefälligkeit, die den Chinesen nicht sonderlich gefiel. Aber in diesen Tagen erwartete man von jenen Männern noch Hilfe für das ausgeblutete, verheerte Land.
    Tsang war einer der ersten, die zu Judith sagten: »Sie sind auch bloß gekommen, um weiter Krieg zu führen. Bisher hat Tschiang allein die Kommunisten bekämpft, nun helfen sie ihm dabei.«
    Judith hatte keine klare Vorstellung von den Kommunisten. Viele Leute hatten behauptet, nur die Kommunisten wären in der Lage, Chinas ewige Misere wirklich zu beenden, aber Judith hatte sich nie näher mit solchen Überlegungen beschäftigt.
    Sie verdankte es einem Zufall, daß eines Tages die Frau des Majors Dunn auf sie aufmerksam wurde. Die große, blonde Frau hatte unweit des Kohlenplatzes mit ihrem Auto eine Reifenpanne, und einige Arbeiter halfen, den Reifen zu wechseln. Unter den Neugierigen, die sich um das Fahrzeug einfanden, war auch Judith. Sie konnte als einzige die amerikanische Frau verstehen, die ein paar Fragen an die Arbeiter richtete. Sie übersetzte die wenigen Worte, und die Amerikanerin betrachtete erstaunt das zierliche Mädchen, das eine Schaufel in der Hand hielt und ihr in holprigem, lückenhaftem Englisch die Antworten dolmetschte.
    »Du sprichst englisch?«
    Judith errötete unter der Kruste von Schweiß, Schmutz und Kohlenstaub. »Als Kind habe ich es gelernt.«
    »Als Kind? Du bist ja jetzt noch ein Kind.«
    »Ich bin sechzehn.«
    »Da könnte ich deine Mutter sein. Was machen deine Eltern?«
    »Ich habe keine Eltern«, sagte Judith nicht sonderlich traurig, und die Amerikanerin musterte sie interessiert. Ihr Mann war Kommandeur einer Versorgungseinheit der Marine, sie war ihm mit ihren beiden Kindern nach Schanghai gefolgt. Einen Augenblick überlegte die Frau. Dieses Asien war voller Überraschungen. Außerdem mußte man sich auf die Lebensverhältnisse hierzulande einstellen. Menschliche Arbeitskraft war beispielsweise der billigste Artikel. Wenn man gut auswählte, konnte man für den Gegenwert von ein bis zwei Stangen Camel im Monat seine ganze Hausarbeit von Einheimischen besorgen lassen.
    »Kannst du mit Kindern umgehen?« fragte sie.
    Judith zuckte leicht die Schultern. Natürlich hat sie nie mit Kindern zu tun gehabt, dachte die Frau, aber sie scheint klug zu sein, und sie hat ein ehrliches Gesicht. Der Teufel soll sich zwar in asiatischen Gesichtern auskennen, aber immerhin brauche ich ein Kindermädchen, wenn ich ab und zu mit George zu einer Abendparty gehen will.
    »Wieviel verdienst du hier?«
    Judith nannte den geringen Betrag. Die Frau verzog die Mundwinkel. Kurz entschlossen sagte sie: »Stell die Schaufel hin. Klopf dir den Staub aus der Kleidung und steig ein. Du wirst Kindermädchen bei mir. Für fünf US-Dollar im Monat.«
    Das war eine unvorstellbar hohe Geldsumme für Judith. Sie blickte sich verwirrt im Kreis der Arbeiter um, die mit dem Reifenwechsel fertig waren. Aber keiner von ihnen hatte die Amerikanerin verstanden.
    »Kommst du oder nicht?« drängte die Frau. Sie verteilte ein paar Schachteln Zigaretten und einige Packungen Keks an die Arbeiter, dann hielt sie die Wagentür auf, und Judith stieg ein.
    In dem Bungalow, der der Familie des Majors Dunn als Wohnung diente, forderte die große Blondine: »Zieh das Zeug aus, alles. Da ist das Bad. Nimm eine heiße Dusche. Ich werde inzwischen ein paar Kleider für dich besorgen.«
    Als sie mit den Sachen zurückkam, fragte sie das neue Kindermädchen: »Wie heißt du?«
    »Judith Huang.«
    »Wieso Judith? Das ist kein chinesischer Name.«
    »Meine Mutter war Deutsche«, antwortete das Mädchen. Die Frau blickte sie überrascht an, aber sie sagte nichts mehr. Sie achtete darauf, daß Judith das Kleid richtig zuknöpfte und ihr Haar ordentlich kämmte. Dann gab sie ihr eine Nagelfeile und ein paar andere Toilettengegenstände. Bis zum Abend hatte sie Judith alles gezeigt, was sie im Haus zu tun hatte. Die Kinder waren drei und fünf Jahre alt, ein Junge und ein Mädchen. Der Major, ein hagerer, elegant aussehender Mann, der nur das tat, was seine Frau anordnete, betrachtete Judith mit Interesse, als er sie zum erstenmal sah. Später, während er mit seiner Frau zum Klub fuhr, fragte er: »Scheint ordentlich zu sein. Wo hast du sie aufgelesen?«
    »Auf einem Kohlenplatz.«
    Er schüttelte lachend den Kopf. Seine Frau hatte eine Art, sich im fremden Land zurechtzufinden, die ihm imponierte.
    »Ob sie klaut?«
    Die Frau

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