Die weißen Schatten der Nacht: Kriminalroman
ihre Konzentration förderte.
Sie räusperte sich. »Es sieht so aus, als wäre das die letzte Besprechung der ›Moko Toni‹. Wie ihr wisst, hat Palmerson gestern so etwas wie ein Geständnis abgelegt. Ich habe eben mit dem Krankenhaus telefoniert. Bislang hat er das Bewusstsein nicht wiedererlangt. Bis wir ihn erneut vernehmen können, vergeht wahrscheinlich einige Zeit. Wir müssen also mit dem vorliebnehmen, was wir haben.«
»Besonders eindeutig war dieses Geständnis aber nicht«, unterbrach Schmiedel sie.
»Ich weiß«, sagte Lydia. »Und ich bin alles andere als glücklich damit. Aber unter diesen Umständen wird Weynrath auf keinen Fall zulassen, dass wir in andere Richtungen weiterermitteln. Salomon und ich haben alles versucht, er lässt nicht mit sich reden.« Sie zuckte mit den Schultern. »Wir warten noch ab, bis die Kriminaltechnik die letzten Spuren ausgewertet hat. Falls sich daraus nichts Neues ergibt, ist endgültig Feierabend.«
»Könnte immerhin sein, dass an Palmersons Kleidung doch noch Haare oder Hautschuppen von Antonia gefunden werden«, sagte Heinz Schröder. »Die Ergebnisse des DNA -Abgleichs sind schließlich noch nicht da.«
»Und wir haben auch noch immer nicht alle potentiellen Zeugen befragt«, ergänzte Schmiedel.
»Ja. Das erledigen wir heute noch.« Lydia rieb sich die Stirn, das Pochen war bereits heftiger geworden. Und schmerzhafter. »Meier, Schmiedel, ihr geht mit einem Foto von Palmerson noch einmal von Haus zu Haus. Irgendwer muss ihn an dem Nachmittag in der Freiheitstraße oder zumindest in dem Viertel gesehen haben. Vielleicht hat ihn ja auch jemand dabei beobachtet, wie er den Mädchen nachgestellt hat. Wiechert und Köster, ihr fragt in der Schule nach. Möglicherweise hat Palmerson dort herumgelungert. Aber macht nicht die Pferde scheu. Ich möchte nicht, dass heute Nachmittag Hunderte von besorgten Eltern bei uns anrufen. Wirtz und Schröder, ihr befragt Palmersons Nachbarn.«
Ruth Wiechert hob die Hand wie in der Schule. »Und was machen wir mit all den Anhaltspunkten, die auf die Familie verweisen? Was ist mit dem leiblichen Vater von Toni? Was ist mit den Spannungen zwischen Toni und ihrer Mutter? Mit den Ladendiebstählen? Dem gereizten Magen? Dieser merkwürdigen Leonie?«
Lydia hob hilflos die Schultern. »Wir haben einen geständigen Täter. Die Abgründe, die sich vielleicht in dieser Familie aufgetan haben, haben nichts mehr mit unseren Ermittlungen zu tun. Und jetzt sagt bitte nicht, dass Palmerson im Grunde nicht gestanden hat. Das weiß ich selbst. Gerichtsverwertbar ist sein Geständnis nicht. Aber wir müssen zum jetzigen Zeitpunkt davon ausgehen, dass Palmerson es getan hat und dass er zweifelsfrei gestehen wird, sobald er dazu in der Lage ist.« Sie wandte sich an Salomon. »Du warst doch dabei. Wie siehst du das?«
Salomon nickte langsam. Er griff nach einem der Zettel, die vor ihm lagen. »›Die arme Kleine. Ich wollte sie nicht … tot … Oh Gott, was habe ich nur getan?‹«, las er vor. »Das waren seine Worte. So ungefähr zumindest. Also, ob es uns gefällt oder nicht, für mich hört sich das nach einem Geständnis an.«
»Er hat recht«, sagte Gerd Köster.
Lydia nickte. »Gut, gibt es noch Fragen?«
Niemand sagte etwas. Doch allen stand die Unzufriedenheit ins Gesicht geschrieben. Sie hatten den Fall nicht wirklich aufgeklärt.
»In Ordnung. Falls sich aus euren Befragungen nichts Neues ergibt, gebt ihr eure Berichte wie immer an Köster. Ich spreche nachher mit der Staatsanwältin. Das war’s wohl. Ich danke euch für die gute Zusammenarbeit.«
Die anderen standen auf. Lydia blieb sitzen und massierte ihre Schläfen. Salomon blieb neben ihr stehen, bis alle verschwunden waren, dann legte er wortlos ein Päckchen Kopfschmerztabletten auf den Tisch. Es war nicht das erste Mal, dass er ihr auf diese Weise zu Hilfe kam, und sie musste beinahe grinsen. In mancher Hinsicht waren sie tatsächlich ein eingespieltes Team.
Es war erst kurz nach drei, doch die Sonne stand bereits so tief, dass sie Thomas Hackmann genau ins Gesicht schien. Geblendet kniff er die Augen zusammen. Was für ein beschissener Tag. Am Samstag hatte er eine süße kleine Brünette mit üppiger Oberweite kennengelernt, doch bereits am Sonntagmorgen war sie ihm so auf die Nerven gegangen, dass er sich ohne ein Wort des Abschieds aus ihrer Wohnung verdrückt hatte. Das endlose Geplapper war echte Folter gewesen. Am Sonntag wollte er eigentlich mit ein paar
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