Die Weiterbildungsluege
war,
wie er noch mehr Leistung aus seinen Mitarbeitern herausholen könnte. Denn so ein Kreuzfahrtschiff fasst etwa 3 000 Gäste
und muss oft innerhalb von zehn Tagen ausgebucht werden.
Ein noch schnelleres Geschäft ist der Rundfunkjournalismus. Ich habe früher selbst beim Rundfunk gearbeitet und dabei in der
Senderlandschaft verschiedene Redaktionen und deren Leiter kennen gelernt. Und hier begegnete mir auch ein Redaktionsleiter,
den mancher wackere Personalentwickler gerne durch ein Führungscoaching auf den rechten Weg gebracht hätte. Nennen wir ihn
Walter Schmidt. Er war 50 Jahre alt, hatte ein lederhäutiges Gesicht und den Charme eine Kneifzange. Das Alter des Mannes
konnte man wie bei einem Baum ablesen. Anhand der Ringe unter den Augen. Er wirkte verhärmt und so führte er auch. Bei Herrn
Schmidt wurde die Förderung von Mitarbeitern großgeschrieben |38| . War ein Radiobeitrag fertiggestellt, erhielt der Kollege konstruktive Kritik wie diese: »Sie sprechen ja wie eine Flughafendurchsage.
Na, ob wir das senden können?« Damit war der Fall erledigt. Einem aufmerksamen Beobachter fiel jedoch auf, dass solch ein
Kollege bei Auftragsvergaben immer weniger berücksichtigt wurde. Irgendwann war der Kollege so kaltgestellt, als wenn er in
einem Kühlschrank arbeiten würde. Das Teamklima in der Redaktion war geprägt von Cliquenwirtschaft. Eines Tages hielt ich
den Telefonhörer in der Hand und wählte gerade die ersten Ziffern. Herein stürzte ein großer, vollbärtiger Kollege namens
Thomas und bölkte mich an: »Ich brauche eine Leitung. Leg’ auf.« Und weil es nicht schnell genug ging, riss er mir den Hörer
aus der Hand, knallte ihn auf die Gabel und rauschte selbstgefällig davon. Normaler Umgangston unter der Herrschaft Schmidt,
dessen Lebensgeschichte mir leider verschlossen blieb. Doch eins war klar. Die Meilensteine seiner Biografie ließen sich nicht
umdrehen.
Genauso wenig wie bei einem Abteilungsleiter namens Klein. Er übernahm eines schönen Tages die Abteilung Produktmanagement.
Mit seiner Ausstrahlung machte er jedem stillen Wasser Konkurrenz. Er ging morgens durchs Büro, murmelte ein »Guten Morgen«
und war den ganzen Tag in seinem Zimmer verschollen. Dass er da war und anscheinend arbeitete, konnte man sehen, weil er in
einem gläsernen Büro residierte. Und wenn er mal aus diesem Aquarium die Nase steckte, dann höchstens nur, um einem Mitarbeiter
in leisen Worten eine Aufgabe zu übertragen. Ab und zu klagte er nuschelnd über seinen druckvollen Bereichsleiter, der ihn
mit Aufgaben bombardierte. Dann pflegte er zu sagen: »Ich bin wie ein Maulwurf. Ab und zu komme ich mal ans Tageslicht und
dann muss ich mich wieder unter Tage durchwühlen«. Dieses Selbstbild passte wie angegossen. Er war von kleiner dicklicher
Statur, hatte eine Brille und tauchte genauso wie der kleine schwarze Erdschaufler in den Untergrund ab. Das Team kam mit
seiner Art nicht klar. Den Mitarbeitern fehlte vieles – auch Beziehungspflege. |39| Mutig adressierten sie es. Er bedankte sich und nahm es mit »unter Tage«. Da sich Führung und Zusammenarbeit weiter verschlechterten,
führte ich im Auftrag des »Maulwurfs« mit dem Team einen Workshop durch. Wir stellten fest, dass die Zusammenarbeit unterirdisch
war. Ich motivierte das Team, einen Maßnahmenkatalog zu erarbeiten. Sie schöpften sogar wieder etwas Hoffnung, dass sich vielleicht
doch etwas verändern würde. Ich trug die Wünsche des Teams an den Chef heran. Er war sichtlich betroffen und saß wie ein Häufchen
Elend vor mir. Er dankte und wollte die Sache angehen. Nach einer Woche traf ich jemanden aus dem Team und erkundigte mich,
wie es seit dem Workshop gelaufen sei. »Nichts ist passiert«, kam die frustrierte Antwort. »Keine Regung. Er hat sich, wie
immer, im Büro verschanzt.« Das Mindeste, was das Team vom Maulwurf erwartet hatte, wäre eine Botschaft gewesen wie: »Danke
für Ihre Arbeit. Ich habe alles gehört. Es hat mich betroffen gemacht. Ich muss das erst mal verdauen, aber ich will es dann
gemeinsam mit Ihnen angehen.« Doch: Aus einem Maulwurf wird kein Königstiger, und die Firma trennte sich von ihm und er ging
zu einem chinesischen Unternehmen. Wahrscheinlich besser für ihn. Chinesen gelten ja auch als zurückhaltend.
Hirnforschung: Gewohnheiten sind Datenautobahnen
Aber nicht nur äußerlich ist unsere Persönlichkeit verfestigt. Auch hirnphysiologisch lässt
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