Die Weiterbildungsluege
Verschaltungsmuster wieder abschwächen oder manchmal sogar auflösen lassen. Joachim Bauer verweist auf
neuere Studien, die beweisen, dass sich durch Psychotherapie auf neurobiologische Strukturen einwirken lässt. 19 Sie können also durchaus neue Datenautobahnen schaffen. Doch das ist genauso langwierig, wie echte Asphalttrassen zu bauen.
|42| Millimeterarbeit an der Persönlichkeit:
Sisyphus lässt grüßen
In der Weiterbildungspraxis wird völlig missachtet, dass Entwicklung im Persönlichkeitsbereich Millimeterarbeit ist – wenn
es denn überhaupt funktioniert. Stattdessen werden Mitarbeiter zu Standardseminaren geschickt. Die Personalentwicklungsleiterin
eines Arbeitssicherheitsunternehmens kennt nur zu gut die Situation in Firmen, dass deren Angestellte mal zum Rhetorikkurs
oder zu einer Präsentationsschulung geschickt werden, obwohl eine genauere Analyse aufzeigen würde, dass es die persönliche
Geschichte der Person ist, die sie in Redesituationen scheitern lässt. »Da wird viel Geld rausgeschmissen«, bestätigt die
Leiterin. Und dabei sind die Zusammenhänge so einfach, wenn Sie sich dieses Kapitel vor Augen führen. Jedes Individuum hat
eine einzigartige Lernhistorie. Wie bereits beschrieben, stützt sich unser Selbstbild auf Vorbilder und persönliche Erfahrungen,
werden Werte und Einstellungen gebildet, die sich im Verhalten äußern. Es formt sich also eine bestimmte Weltwahrnehmung,
die im Gehirn verankert ist und sich äußerlich durch unsere körperliche Ausstrahlung manifestiert. Und jede neue Erfahrung
wird mit dieser persönlichen Brille aufgenommen und einsortiert. Erinnern Sie sich einen Moment zurück an den Geschäftsführer,
den Sie zu Beginn des Kapitels kennen gelernt haben. Den Monty-Burns-Typ. Er hatte diese Zusammenhänge für sein Leben bewusst
begriffen. Sicherlich ein wichtiger Schritt im Zuge der eigenen Persönlichkeitsentwicklung. Er wusste aufgrund etlicher Seminare
und Coachings, welcher Film bei ihm ablief – und dennoch: Er hatte nicht das Gefühl, dass er aus seiner Lebensschiene herauskäme.
Er litt. Und dabei ist zu betonen, dass der Mann wild entschlossen war, an sich zu arbeiten. Der Organisationssoziologe Prof.
Dr. Stefan Kühl aus Hamburg unterstreicht auf der Grundlage einer eigenen Studie: »Coaching kann weder einzelne Menschen ändern
noch die Funktionsweise von Organisationen verbessern.« 20 Die Psychologie lehrt uns, dass |43| deutliche Veränderungen in der Persönlichkeit oft nur aufgrund schwerer Krisen erfolgen. Es sind so drastische Erfahrungen
wie Nahtodereignisse oder Traumata, die so eindringlich sind, dass sich Menschen in Teilen ihrer Persönlichkeit deutlich wandeln.
Im Vergleich dazu ist der Gang zu einem zweitägigen Seminar wie das Rauschen in einer großen Linde. Die Blätter rascheln kurz
und danach ist wieder alles beim Alten. Das Problem schwerer Lebenskrisen ist jedoch, dass damit keine
zielgerichtete
Entwicklung möglich ist. In welche Richtungen sich Menschen durch Lebenskrisen verändern ist nicht wirklich vorhersehbar.
Sonst könnte man ja einfach jedem auf Rezept eine Lebenskrise verabreichen. Aber es gibt auch Hoffnung. Menschen können tiefverwurzelte
Einstellungen und Eigenschaften in gewissem Rahmen wandeln. Wer für die Veränderungsarbeit die nötige Selbstdisziplin aufbringt,
kann genauso auf Erfolge hoffen wie ein mir bekannter Personalleiter. Er arbeitete schon seit etlichen Jahren daran, besser
mit seinen eigenen Energien umzugehen. Mit seinen 48 Jahren pflegte er zu sagen: »Das ist knüppelharte Millimeterarbeit. Ich
bin jetzt in einen Bereich vorgedrungen, wo ich sagen würde, es hat sich echt was in meinen Einstellungen bewegt. Ich sehe
aber die Jahre der Irrwege und Rückschläge. Das war schon knochenhart.« Und genau diese Aussage trifft den Nagel auf den Kopf.
In der Psychotherapie kennt man die Situation, dass Veränderungsfortschritte oftmals so klein und unscheinbar sind, dass sie
von Betroffenen gar nicht zur Kenntnis genommen werden. Die Menschen im Umfeld bemerken es oft auch nicht, weil sie die Person
mit einer vorgefassten Meinung betrachten. Allerhöchstens nahestehende Freunde und Verwandte entdecken die kleinen Veränderungsmerkmale.
Doch Menschen wie der besagte Monty-Burns-Typ erwarten im Allgemeinen deutliche, wenn nicht gar erdrutschartige Veränderungen.
Und da sind wir auch schon beim wichtigsten aller Irrtümer, der Ihnen in diesem Buch
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