Die Weiterbildungsluege
sich nachweisen, warum wir nicht
aus unserer Haut können. In den 1950er Jahren stellte der Neurochirurg Wilder Penfield fest, dass stimulierende Elektroden
im Temporallappen der Großhirnrinde Erinnerungen aus längst vergangenen Zeiten initiieren. Den Probanden kamen spontan vertraute
Szenen in den Sinn. Er stellte fest, dass durch die Stimulierung eine komplette Reproduktion aller Sinneseindrücke und Gefühle
von Szenen aus der Vergangenheit ausgelöst wurde. Im Alltag kennt man dieses Phänomen auch. Es kommt ein situativer Reiz,
der eine Erinnerung hervorruft. Man hört den Song aus der ersten |40| Tanzstunde und fühlt sich wieder wie der Dickhäuter, der den Mädels damals auf den Füßen herumgetrampelt ist. Die Befunde
von Penfield gelten als Beweis, dass wir nichts vergessen und uns daher Erfahrungen aus der Vergangenheit auch in der Gegenwart
bewusst oder unbewusst beeinflussen.
Am Anfang, wenn wir auf die Welt kommen, stehen im Gehirn noch alle Möglichkeiten weitgehend offen. Je früher nervliche Bahnungen
– Programmierungen genannt – erfolgen, desto bestimmender sind sie für die weitere Lebensgestaltung und desto schwerer sind
sie im Laufe des späteren Lebens wieder auflösbar, weiß Hirnforscher Gerald Hüther. Bei Neugeborenen sind nur die Verschaltungen
da, die zum Überleben gebraucht werden. Ein Baby wächst dann aber hinein in ein System von Glaubenssätzen, Überzeugungen und
Vorstellungen der Eltern, die ein bestimmtes Verschaltungsmuster aktivieren und stabilisieren. Je abgeschotteter ein Kind
aufwächst und je weniger Alternativen es aus dem Umfeld und von anderen Menschen erfährt, umso stabiler und einseitiger werden
die Programmierungen. Hüthers Botschaft ist zusammengefasst: All das, was unsere Persönlichkeit ausmacht, ist das Ergebnis
und der Ausdruck der neuronalen Verschaltungsmuster, die bisher in unserem Gehirn entstanden sind. 18
Wenn man diese Befunde aus der Hirnforschung in Verbindung mit der Weiterbildungspraxis bringt, sträuben sich einem die Haare.
Führungskräfte neigen manchmal zu paradoxen Botschaften. Sie erwarten, dass sich die Mitarbeiter verändern, aber sie sollen
sich nicht verbiegen. Wie soll das bei einem Mann gehen, der vom Habitus aussieht wie ein Bär, aber die Sicherheit einer Feldmaus
ausstrahlt? Der Mann, um den es ging, war Außendienstmitarbeiter in einem Unterhaltungselektronikunternehmen. Typisch für
ihn war, dass er ankam und zu seinem Chef sagte: »Du, ich hätte da mal eine ganz dumme Frage.« Das war nicht Strategie, sondern
entsprach dem Denken des Mannes, der devot wirkte und den Leuten nicht in die Augen sehen konnte. Sein Chef wollte ihn zu
mehr Biss und Selbstsicherheit bringen. Seine Argumentation |41| war: »Wenn du zu Geschäftsführern kommst und dich windest wie eine Raupe auf einem Ast, dann nehmen die dich nicht ernst.
Die Unterhaltungselektronikbranche wird zunehmend härter. Wenn du da jetzt nicht besser wirst, kannst du die Umsätze knicken.
Ich schicke dich mal zum Selbstbehauptungsseminar, damit du dominanter auftrittst.« Darauf wandte der Mitarbeiter mit zaghafter
Stimme ein: »Aber Chef, in der Regel bin ich grundsätzlich meistens erfolgreich.« Dieser Mitarbeiter hat eine Datenautobahn
in seinem Nervensystem, die ihn immer wieder in dieser unsicheren devoten Weise auftreten lässt. Wir Menschen setzen bestimmte
Denk- und Handlungsmuster so lange ein, wie sie uns erfolgreich erscheinen. Daraus entwickelt sich ein stabiles, ständig genutztes
Wegesystem oder, anders ausgedrückt, es liegt ein eingefahrenes Programm vor, dass unser Denken, Fühlen und Handeln permanent
beeinflusst. Das Problem ist, dass man dieses Muster nicht mehr so einfach loswird, auch wenn man erkannt hat, dass es mehr
schadet als nutzt.
Ich habe mal den Spruch gehört: »Wenn du nur einen Hammer kennst, sieht alles irgendwie ein bisschen wie ein Nagel aus.« Das
bedeutet, wenn wir im Laufe unserer Entwicklung ein bestimmtes Handlungsmuster eintrainiert haben, wie zum Beispiel unsicheres
Auftreten, wenden wir es in praktisch jeder Situation an, auch wenn eine andere Strategie besser geeignet wäre, zum Beispiel
das vom Vorgesetzten gewünschte sichere Auftreten. Neuronale Datenautobahnen lassen sich nicht auf Zuruf stilllegen. Doch
es gibt auch eine positive Nachricht. Wir besitzen ein plastisches, zeitlebens lernfähiges Gehirn. Das bedeutet, dass sich
erfahrungsbedingte
Weitere Kostenlose Bücher