Die Weiterbildungsluege
Thema? Warum zum jetzigen Zeitpunkt?« Natürlich wusste die Führungskraft nichts Rechtes
darauf zu sagen. In die Enge getrieben wie ein scheues Reh, reagierte der Mann mit Flucht nach vorn: »Ich weiß schon, was
für meine Mitarbeiter gut ist. Melden Sie mal meine Leute an.«
An dieser Stelle zu kämpfen sei vergebens, bestätigte mir auch die Personalentwicklerin eines Bau- und Heimwerkermarktes.
Selbstkritisch sagte sie: »PE müsste häufiger Nein sagen. Aber der Stellenwert der PE im Unternehmen ist so, dass wir nicht
weisungsbefugt sind. Wir haben nur eine Beratungsfunktion.« Auch andernorts zeigt die Praxis, dass die Damen und Herren aus
der Personalentwicklung entweder nicht gehört oder gar nicht erst gefragt werden. Fachabteilungen buchen Trainer oder Veranstaltungen |122| auch gerne ohne Rückfrage. Denn wer will schon mit jemandem sprechen, der einem die gute Idee ausreden könnte?
Die Personalentwicklerin des Bau- und Heimwerkermarktes würde gern dem Management die Meinung sagen, wenn sie sieht, dass
den Mitarbeitern Work-Life-Balance-Seminare angeboten werden, obwohl der Rahmen dafür fehlt. »Überstunden sind bei uns an
der Tagesordnung. Die Kollegen sind zwangsläufig ausgepowert.« Deshalb orderten Vorgesetzte für ihre Mitarbeiter Seminare.
Sie merkten, dass diese so viel arbeiten und irgendwie verbraucht aussehen. Die vermeintliche Lösung: »Da müssen wir mal Work-Life-Balance
schulen, damit die Mitarbeiter alles besser auf die Kappe kriegen.« Die Personalentwicklerin kann angesichts dieser Vorstellungen
nur den Kopf schütteln. Denn nach einem Seminar purzeln die Teilnehmer beseelt wieder zurück in die Praxis und merken, dass
die Arbeitstage immer noch von 8 bis 23 Uhr gehen. Es sei ja auch nicht so, dass sie nicht wüssten, dass es neben der Arbeit
auch ein Privatleben gebe – nur erlaube es das Firmenumfeld nicht, erklärte mir die Personalentwicklerin. »Uns würde es aber
in 1 000 Jahren nicht einfallen, den gestandenen Vorgesetzten zu sagen, dass sie kein Work-Life-Balance-Seminar für ihre Mitarbeiter
bekommen, weil das Unternehmen dazu nicht passend tickt. Diese Entscheidungsbefugnis haben wir nicht.«
Nun könnte man meinen, dass Personalentwicklungsmitarbeiter einen Chef haben, der die entsprechenden Haare auf den Zähnen
hat und weder Konflikt noch Auseinandersetzung fürchtet, um auf höherer Hierarchieebene die nötigen Grenzen zu setzen. Doch
weit gefehlt. Die Chefs haben auch kein besseres Standing. Ein Personalleiter begründete mir das mal mit den Worten: »Wissen
Sie, kein anderer Bereich im Unternehmen ist so prädestiniert dafür, dass jeder denkt mitreden zu können. Jeder glaubt, Ahnung
von Personalentwicklung zu haben und es besser zu wissen.« Was er nicht zum Ausdruck brachte ist der bedauerliche Zustand,
dass im Personalbereich vielerorts Menschen sitzen, die nicht Rasierklingen an den Ellenbogen haben oder gar den Biss eines
Pitbulls. |123| Menschen aus der Personalentwicklung ticken einfach anders. Fleischer sind ja auch andere Typen als Krankenpfleger. Meistens
jedenfalls. Menschen aus der Personalentwicklung haben oft einen (sozial-)pädagogischen oder psychologischen Fachhintergrund.
Sie besitzen alle eine Stärke: Sie fühlen sich in die Menschen ein, kümmern sich und haben viel Verständnis. Hört man Kursteilnehmern
oder Kollegen quer durch die Branchen zu, kommt zum Ausdruck, dass gerade deshalb die Akzeptanz schlecht ist. Vertretern dieses
Berufsstandes werden eine sozialromantische Ader und ein verklärter Blick auf das Businessgeschehen unterstellt. Es fehle
das unternehmerische Denken. Wenn Personalabteilungen nur aus Psychologen bestehen, läuten alle Alarmglocken. So geht es zumindest
einer Personalleiterin – übrigens Betriebswirtin. »Nichts gegen Psychologen«, sagte sie mir – obwohl sie wusste, dass ich
auch einer bin. »Einen in der Gruppe finde ich auch sinnvoll. Mir sind die gute Mischung und die Qualität wichtig. Das darf
nicht abgehoben sein.« Das schlechte Standing der Personaler beruhe auch darauf, dass die PE als Abteilung gesehen wird, in
der Mitarbeiter abgestellt oder geparkt werden, erzählte mir eine Trainerin aus dem Bankensektor. Klassisches Szenerio: Herr
Müller soll weg. Kollegen fragen: »Wo ist er denn hin? – Ach, in die Personabteilung.« Das heißt: »Allen ist dann intern klar,
dass Herr Müller weg sollte. Sprüche wie ›Dann geh’ halt in die
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