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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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damit er die Basics lernt«, dachte der Abteilungsleiter
     laut. Ich fragte zurück: »Haben Sie ihm schon mal eine Rückmeldung zu seinem Verhalten gegeben?« – »Ja natürlich, ich habe
     ihm schon mal gesagt, dass er ein bisschen kommunikativer sein soll.« Wie sich im weiteren Gespräch herausstellte, hatte der
     Mitarbeiter in seinem vergangenen Beurteilungsgespräch im Punkt »Kommunikation« die Note »normal erwartete Leistung« erhalten.
     Und der |126| Eindruck vertiefte sich, dass es bisher kein ernsthaftes Gespräch mit klarer Rückmeldung und klaren Vereinbarungen gegeben
     hatte. Auf Mitarbeiterseite kann es dann eigentlich nur Verwunderung auslösen, wenn der Chef ein Kommunikationsseminar verordnet,
     obwohl es keinen Grund zur Klage gibt.
    Diese Vorgehensweise birgt besonders zwei Risiken und Nebenwirkungen. Einmal braucht der Mitarbeiter hellseherische Gaben,
     um aus dem Training das Wissen herauszuziehen, dessen Fehlen sein Chef an ihm im Geheimen bemängelt. Zum anderen kann der
     Schuss komplett nach hinten losgehen, wenn der Mitarbeiter merkt, dass der Chef ihm sozusagen »von hinten durch die Brust
     ins Auge« ein Feedback geben wollte. Dadurch geht jedes Vertrauensverhältnis den Bach hinunter. So ist es in einem haarsträubenden
     Fall passiert, den mir eine Personalentwicklerin aus der Automobilbranche erzählte. »Die Frau war aufgrund ihrer Persönlichkeit
     schon extrem schwierig«, gibt sie zu. Nach ihrer Beschreibung war die Dame noch sehr jung und hatte nicht die geringste Führungserfahrung.
     Als sie die Verantwortung übernahm, ergaben sich recht schnell große Schwierigkeiten mit den Mitarbeitern und ihrem direkten
     Chef. Das lag daran, dass sie einen sehr hohen Leistungsanspruch an sich selbst anlegte, den sie automatisch auf alle anderen
     übertrug. Sie zeigte weder Feingefühl noch Verständnis, dass andere nicht nach ihrem Maßstab lebten. Die Personalentwicklerin:
     »Sie war unglaublich ungeschickt. Sie hat Leute in einer Weise mit Feedback konfrontiert, die nicht angemessen war.« Deren
     Chef fühlte sich anscheinend überfordert. Er wusste nicht, wie er seiner Mitarbeiterin ihre persönlichkeitsbezogenen Eigenheiten
     näherbringen sollte. Deshalb schickte er sie zu einem Seminar – nach dem Motto: »Du hast ein persönlichkeitsbezogenes Defizit,
     das ich dir nicht kommunizieren kann, und ich hoffe, die tun das in dem Workshop.« Für die Personalentwicklerin ist klar:
     »Der hat sie auf ein absolutes Psycho-Seminar geschickt. Die Teilnehmer waren vier Tage von aller Außenwelt abgeschlossen,
     in irgendeinem Schloss, wo sich die Teilnehmer gegenseitig knallhartes Feedback gaben.« |127| Nun muss ich an dieser Stelle die Ausführungen etwas relativieren, weil die Personalentwicklerin ihre Informationen auch nur
     aus Sicht der betroffenen Frau bekommen hat. Doch im Grunde ist es gleichgültig, wie es sich tatsächlich abgespielt hat. Entscheidend
     ist, was diese Maßnahme bei der Führungskraft ausgelöst hat. Und danach muss es so gewesen sein, dass auch die anderen Teilnehmer
     nicht wussten, warum sie zu dem Seminar eingeladen worden waren. Nur eines kristallisierte sich für die Betroffenen heraus:
     Wir werden hier von drei Psychologen betreut. Das läuft irgendwie auf Gehirnwäsche hinaus. Was die bloß mit uns vorhaben?
     Am Ende der vier Tage hatte die Frau begriffen, dass ihr Chef ihr mit dem Seminar eine Botschaft geben wollte. Die bekam sie
     aber komplett in den falschen Hals, weil der Chef nicht das direkte Gespräch mit ihr gesucht hatte. Die Personalentwicklerin
     berichtete mir, dass die Frau nach dem Seminar komplett neben sich stand. »Sie war verwirrt, sie war alleine gelassen.« Immer
     wieder habe sie sich gefragt: »Wenn mein Chef nicht zufrieden mit mir ist, warum hat er es mir nicht gesagt, sondern mich
     zu dem Seminar angemeldet?« Angesichts dieser Begebenheit kommen ethische Bedenken auf. Für die Personalentwicklerin ist das
     alles menschlich verwerflich – auch wenn sie zugesteht: »Sicherlich war die Frau eine schwierige Person. Aber ich habe einfach
     miterlebt, was diese Maßnahme mit ihr gemacht hat.« Von außen betrachtet ist es nicht verwunderlich, dass sich dieser verdeckte
     Konflikt zu einer Streubombe entwickelte. Es ist normal, dass unter dem Teppich gehaltene Konflikte irgendwann mit Macht ausbrechen
     und dann weite Kreise ziehen. Und die Geschichte der Dame hat weite Kreise gezogen. Sie war die Attraktion auf dem

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