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Die Weiterbildungsluege

Titel: Die Weiterbildungsluege Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gris
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Flurfunk.
     Für sie, die sich so ungerecht behandelt fühlte, war es die einzige Chance, etwas von ihrem Druck und Frust loszuwerden. Und
     so erzählte sie und erzählte sie und erzählte sie ihr Erlebnis immer wieder. Auch ganz typisch. Denn wo Konflikte nicht offen
     auf den Tisch gebracht werden, machen sie sich auf andere Weise Luft. Dabei fängt alles so harmlos an. Am Anfang ist es ein
     Bauchgrummeln, dass heruntergeschluckt wird. Man bagatellisiert |128| Kritikpunkte. Doch ab einem gewissen Grad an Verärgerung kommt es zu einem Dauerdilemma. Einerseits hat man nicht den Mut,
     den Konflikt offen auf den Tisch zu bringen, andererseits ist man aber auch nicht bereit, seine Verärgerung abzuhaken und
     die Sache auf sich beruhen zu lassen. So geht es auch dem Chef, der sich über das Verhalten seines Mitarbeiters aufregt. Als
     Folge kommt es zu emotionalen Wänden zwischen den Beteiligten, zu zynischen Zwischenbemerkungen oder anderen verdeckten Bestrafungen.
     Man lässt jemanden absichtlich warten oder schreibt lieber Mails, als telefonisch oder persönlich zu kommunizieren. Und irgendwann
     ist die Wand so groß, dass man überhaupt keinen Ansatzpunkt mehr sieht, das Problem zu thematisieren. Aus dieser Sicht finde
     ich es verständlich, wenn ein Vorgesetzter zum Rettungsanker Fortbildung greift. Nur leider zieht dieser Anker noch tiefer
     in den Sumpf herunter.
    Aber nicht nur Seminare werden aus Gründen der Konfliktvermeidung zweckentfremdet. Eine ganz andere Praxis erfuhr ich von
     einer Personalentwicklerin aus der Finanzdienstleistungsbranche. Sie hat es oft erlebt, dass Führungskräfte ihre Mitarbeiter
     ins Development-Center schicken, damit sie dort mal die Wahrheit über sich erfahren. Dem Mitarbeiter wird gesagt: »Gehen Sie
     mal zum DC, das ist gut für Sie. Das ist eine Entwicklungsmaßnahme.« Im Kopf haben sie aber den Gedanken: »Dann bekommen Sie
     endlich mal das nötige Feedback.« Das Stichwort Development-Center führt uns nun geradewegs zu Nachwuchsförderungsprogrammen.
     Auch sie werden missbraucht.
    War for Talents: Im Krieg sind alle Mittel erlaubt
    Ein martialischer Begriff macht seit einigen Jahren die Runde in der Unternehmenslandschaft: War for Talents. Geprägt wurde
     der Begriff 1997 von den Unternehmensberatern Ed Michaels, Helen Handfield-Jones und Beth Axelrod. 46 Gemeint ist damit der Kampf um die besten Hochschulabsolventen. Diese sogenannten High |129| Potenzials, kurz HiPos, werden im Informationszeitalter als die wichtigste und gleichzeitig knappste Ressource des Unternehmenserfolgs
     gesehen. Deshalb richten sich alle Bemühungen darauf, diese HiPos zu bekommen beziehungsweise bereits gewonnene Leistungsträger
     zu halten. In diesem Zusammenhang spielt Weiterbildung als Lockmittel eine wichtige Rolle. Im Jahr 2007 überraschte mich im
     Weiterbildungsmagazin
managerSeminare
ein Artikel mit der Überschrift »Firmen wollen High Potentials mit Weiterbildung locken«. 47 Darin war zu lesen, dass laut einem internationalen Beratungsunternehmen 60 Prozent von 430 befragten Firmen mehr Geld für
     die Trainings- und Entwicklungsmaßnahmen ihrer Mitarbeiter ausgeben wollen, um HiPos zu locken und zu binden. Was nicht im
     Artikel stand, ist die Kehrseite der Medaille. Leistungsträgern werden Karrierechancen suggeriert, obwohl es keine gibt. Doch
     im Krieg sind alle Mittel erlaubt. Kurzum. Es wird kräftig Geld in kostenintensive Fortbildungsprogramme gepumpt, die die
     Betreffenden in dem guten Glauben lassen, dass sie wichtig sind und gebraucht werden. Auch das ist eine Konfliktvermeidungsstrategie,
     die die Unternehmen in mehrerer Hinsicht teuer bezahlen. Einmal sind es die Maßnahmen selbst, zum anderen ist es aber auch
     die Tatsache, dass die Leistungsträger irgendwann merken, dass sie nichts als heiße Luft erfahren haben, und dem Unternehmen
     enttäuscht den Rücken kehren. Diese Erfahrungen hat der ehemalige Personalentwicklungsleiter eines großen Reiseveranstalters
     hinter sich. »Es war vom Vorstand so gewollt, parallel mehrere Führungs- und Nachwuchsführungsprogramme auf unterschiedlichsten
     Ebenen zu initiieren. Für Berufseinsteiger, für Leute mit etwas mehr Berufserfahrung, für Leute mit erster Führungserfahrung,
     Abteilungsleiter und Hauptabteilungsleiter. Allen wurde suggeriert, dass es mit der Karriere weiter nach oben geht«, verrät
     der Insider. »Es wurden Aufstiegschancen vermittelt, die so nie einhaltbar waren. Obwohl man nicht

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