Die Weiterbildungsluege
die jetzt schon Kopfschmerzen haben und geneigt sind, diese bildungsmathematisch hochtrabenden Zeilen zu überspringen, möchte
ich an dieser Stelle sagen: Ich bin gleich fertig.
»T« steht für die Dauerhaftigkeit des Trainingseffekts in der Arbeitsleistung. »A« beschreibt, wie hoch der Arbeitsanteil
ist, für den der Teilnehmer das Training braucht. »d t « steht für die Effektgröße, die, vereinfacht gesagt, die Leistungsdifferenz vor und nach dem Training ausgedrückt. »SD y « ist die Standardabweichung der Arbeitsleistung bei den Teilnehmern in Euro mittels 40 Prozent-Regel. Sie haben nichts verstanden?
Prima. Dann hat die Formel ihr Ziel auf ganzer Linie erreicht. Sie verstehen nur Bahnhof, der sich auch noch in einem böhmischen
Dorf befindet, und überlassen das Rechnen anderen. Auf die Summe am Schluss kommt es an. 324 000 Euro. Noch Fragen?
Bei dem Projektmanagementseminar wurde eine Effektdauer von zehn Jahren angenommen (vermutete Betriebszugehörigkeit). |222| Der Anteil der Tätigkeit, für den Projektmanagement gebraucht wird, betrug 50 Prozent (A = 0,5). Der Leistungszuwachs umfasste
0,3 Standardabweichungen. Bei »SD y « nimmt man vom durchschnittlichen Jahresbruttoeinkommen der Teilnehmer 40 Prozent, in dem Fall 20 000 Euro.
Das dicke Ende kommt aber noch. Man redet so leicht über Leistungszuwachs. Aber dazu muss man erst einmal genau definieren,
was Leistung ist, womit wir wieder am Anfang des Dramas sind. Woran erkennen wir am Ende des Tages, dass jemand ein erfolgreiches
Projektmanagement für ein Unternehmen betreibt?
Sicher verstehen Sie jetzt, warum sich Bildungscontrolling mit solchen Formeln nicht wirklich durchsetzt. Man kann zwar irgendetwas
in Geldwert ausdrücken, aber ob dies logisch und sinnvoll ist, steht auf einem anderen Blatt. Dabei ist laut Kenneth S. Law
von der Hong Kong University of Science and Technology der größte Kritikpunkt bei solchen Formeln, wie man letzten Endes den
ermittelten finanziellen Nutzwert genau interpretieren soll. Bedeutet diese Summe Kostenreduktion, mehr Umsatz, besseren Cashflow
oder eine Wertsteigerung der Firmenaktien? 87 Keiner kann es sagen. Und damit ist der Betrag auch völlig egal.
Teuer und praxisfremd:
Bildungscontrolling ist keine Erfolgsgarantie
Und trotzdem wird munter weiter versucht, den Wert von Weiterbildung zu ermitteln. Bildungscontrolling hat viele Gesichter.
Angefangen bei den eben beschriebenen Zahlenspielereien über die Auswertung von Seminarzufriedenheitsbögen bis hin zu fast
akribischen wissenschaftlichen Designs. Gerne wird in der Personalentwicklungslandschaft zu Evaluationszwecken ein Modell
von Donald Kirkpatrick 88 zurate gezogen, das er 1975 zusammenfassend in seinem noch heute aktuellen Buch
Evaluating Training
Programs
89 darstellte. Darin wird der Erfolg einer Weiterbildungsmaßnahme auf folgenden vier Stufen bewertet:
|223|
Zufriedenheit:
Am Ende eines Seminars werden die Teilnehmer zur Leistung des Trainers, den Inhalten, dem Lernumfeld und der Praxistauglichkeit
des Seminars befragt.
Lernerfolg:
Ein Wissenstest, ein Selbstbeurteilungsfragebogen, ein Interview mit dem Teilnehmer, die Befragung des Vorgesetzten, von Beobachtern
bewertete Rollenspiele und Ähnliches zeigen auf, ob der Teilnehmer das neu erworbene Wissen und Verhalten beherrscht.
Transfererfolg:
Es wird überprüft, ob der Teilnehmer das Gelernte auch in der täglichen Praxis anwendet und umsetzt.
Unternehmenserfolg:
Es wird erfasst, ob sich das veränderte Verhalten am Arbeitsplatz auf den Firmenerfolg auswirkt (zum Beispiel durch Umsatzsteigerung
oder Senkung der Fehlerquote).
Nimmt man dieses Modell als Basis, dann heißt Bildungscontrolling für die meisten Unternehmen, die erste Stufe abzuarbeiten
und die Teilnehmerzufriedenheit zu erfassen. Im Englischen gibt es für die Bögen den schönen und treffenden Namen »happy sheets«.
Ins Deutsche könnte man böse übersetzen: glückselig machender Shit. Denn glücklich macht der Bogen nur die Personalabteilung,
weil sie eine quantitative Auswertung vornehmen kann, um diesen Datenfriedhof pflichtgemäß ihrem Qualitätsmanagement zuzuführen.
Manchmal interessiert sich auch ein Chef dafür. Die Teilnehmer hingegen würden oft gern einen Bogen um den Bogen machen, weil
sie ihn in den letzten fünf Minuten eines Seminars noch mal eben ausfüllen müssen und dazu selten Lust haben. Ob die Teilnehmer
sich im Sinne einer gewollten
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