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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Hände ergießen konnte, hatte Irmingard die Freundin von der Bank gestoßen.
    »Oh weh, welch Ungeschicklichkeit!«, klagte das Mädchen. Während eine andere junge Frau mit ihrem Stoff schnell das Feuer erstickte, erklangen heuchlerische Stimmen: »Wie gut, dass niemand verletzt wurde!«
    Doch Judith wollte immer noch nicht wahrhaben, dass die Welt der Brautschule feindselig war.
    Der reichliche Schmuck, den die jungen Frauen mitgebracht hatten – bis auf Judith, die überhaupt nicht daran gedacht hatte –, wurde ihnen noch am ersten Tag abgenommen und an einem sicheren Ort verwahrt. Sie durften nur ein einziges Stück behalten, nämlich jenes, mit dem sie bei der Brautschau auf den Kaiser Eindruck zu machen wünschten. Irmingard, die sich wie die meisten anderen für ein edelsteinbesetztes Haarband entschieden hatte, um die Augen zum Leuchten zu bringen und von ihrer großen Nase abzulenken, riet Judith dringend von dem großen Diamantring ab und öffnete ihre aus feinem Silber getriebene Schatulle. »Nimm lieber eine dieser Ketten. Die lässt den Hals länger wirken«, bot sie ihr an. »Oder das Medaillon. Das hat etwas Geheimnisvolles. So ein Ring bringt nur deine Hand zur Geltung, und an die soll doch der Siegelring der Kaiserin gesteckt werden!«
    Judith umarmte Irmingard, lehnte dankend ab und versicherte, dass auch sie Irmingard mehr als Freundin denn als Rivalin betrachte.
    Irmingard lächelte geheimnisvoll. Sie war sich ihrer Sache völlig sicher und konnte sich Großzügigkeit leisten. Eine Beraterin ihres Vaters, die Nonne Gerberga, die in die Zukunft sehen konnte und sich nie irrte, hatte ihr versichert, dass sie Kaiserin würde. Die Zeichen seien eindeutig, und jeder, der sich auf dieses Fach verstehe, könne sie klar und augenfällig lesen. Da der Name der künftigen Kaiserin bereits am Firmament stand, hätte sich der Kaiser die Brautschau im Grunde ersparen können, dachte Irmingard. Aber sie begriff, dass es hierbei außer um ihre Ehe auch um mögliche Gemahlinnen der kaiserlichen Vasallen ging. Hätte die Nonne Gerberga nicht derart deutlich gesprochen, wäre Judith die Erste gewesen, der sie den Krieg angesagt hätte. So aber überlegte sie, welchen Mann am Hof – und durch ihren Vater wusste sie von einigen – sie Judith zuführen wollte. Schließlich brauchte auch eine Kaiserin ihre weiblichen Vasallen.
    Bernhard, dachte sie, der Bruder der Nonne Gerberga, ein ehrgeiziger junger Mann, der zu Höherem berufen ist. Als kleines Mädchen hatte Irmingard zu ihm aufgeschaut und bis zur Prophezeiung der Nonne Gerberga darauf hingearbeitet, sein Interesse an ihr zu wecken. Sie sah in ihm eine verwandte Seele, einen Menschen, der trotz gewisser Nachteile im äußerlichen Erscheinungsbild die Sterne für erreichbar hielt. In ihm floss sogar königliches Blut; auch wenn er als Sohn des Grafen von Toulouse und einer unehelichen Tochter Karl Martells in der Thronfolge keine Rolle spielte. Aber mit untergeordneten Aufgaben würde er sich gewiss nicht abspeisen lassen. Kanzler könnte er werden oder Kämmerer. Und sie würde ihm die schöne Judith an die Seite geben, ihre Dankbarkeit einfordern und sich und dem Kaiser somit kluge Berater sichern. Für Irmingard stand die Zukunft fest.
    Der Lehrplan der Brautschule setzte sich aus zahlreichen Lektionen zusammen, die eine Kaiserin beherrschen sollte. Die Frau an des Kaisers Seite hatte schließlich dafür zu sorgen, dass der Herrscher seinen Sinn ausschließlich Gott und der Lenkung des Reichs zuwenden konnte.
    Irmingard verzweifelte an den Rechenaufgaben und wurde von der Äbtissin, die sie unterrichtete, herb gerügt: »Wie willst du als Kaiserin dem Kämmerer vertrauen, wenn du nicht selbst nachprüfen kannst, ob die Vasallen die vorgeschriebenen Abgaben leisten? Wie willst du Einkünfte und Vorräte verwalten, wenn du ausschließlich die Finger zum Zählen heranziehen musst?« Dafür habe ich dann eben meinen Kämmerer, dachte Irmingard missmutig. Mich wird man schon nicht übers Ohr hauen. Andere Aufgaben der Kaiserin lagen ihr mehr. Niemand würde sich besser als sie um Schmuck und Kleidung des Kaisers kümmern, einfallsreichere Geschenke für Gesandte ersinnen und zur rechten Zeit die richtigen Bibelzitate anbringen können. Sie warf einen Seitenblick auf Judith, die so vorzüglich rechnen konnte, dass ihr die Äbtissin eine Aufgabe stellte, an deren Lösung sogar Gelehrte des Kaiserhofs bereits seit Jahren knabberten: »Stell dir eine vollkommen

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