Die Welfenkaiserin
hochgebundenen weißblonden Haar sah sie aus wie eine Herrscherin. Die sie ja fast geworden wäre.
Die Zeit in Prüm verging Judith viel zu schnell. Beim Abschied versprach sie Gerswind, auf der Rückreise für eine längere Zeit bei ihr zu verweilen. »Warum sollte der Kaiser ausgerechnet mich erwählen!«, rief sie lachend, als sie Gerswind an sich drückte. »Und wenn ja, hole ich dich an den Hof! Dann können wir wieder zusammen sein wie früher.«
Gerswind küsste Judiths Wange. »Nichts wird wie früher sein«, sagte sie ernst. »Nichts. Und wenn du mir einen Gefallen tun willst, lässt du mich bitte hier. Sosehr ich dich liebe, so wenig möchte ich nach Aachen zurückkehren.«
Frau Stemma drängte zum Aufbruch. Sie war höchst ungehalten, denn sie hatte erfahren, dass die beiden Töchter des Grafen von Tours nicht in aller Form als Bewerberinnen für die Brautschau auserwählt worden waren, sondern vorgaben, den Aachener Hof aufsuchen zu wollen, weil ihr Vater Hugo derzeit dort verweilte. Sie hätten sich bei Verwandten in der Umgebung aufgehalten und wollten eben eine Gelegenheit zur Reise in die Kaiserstadt nutzen. Weder Adelheid noch Irmingard waren bereit, sich den Anforderungen von Maßband und Schuh zu unterziehen, von der anderen Untersuchung ganz zu schweigen.
»Und wenn ihr erst da seid, wollt ihr euch wohl einfach unter die Bewerberinnen schmuggeln«, knurrte Frau Stemma, nachdem sie die Abtei verlassen hatten. Irmingards Habichtsnase entsprach keineswegs den Anforderungen, und in den kleinen Schuh hätte kein Fuß der Schwestern schlüpfen können.
Im Vergleich zu dem ungemütlichen Ritt nach Prüm gestaltete sich die Reise nach Aachen viel unbeschwerter. Endlich hatte es zu schneien aufgehört. Die Wintersonne erwärmte tagsüber Gesichter und Gemüter, und es ging schneller voran, da Reisende vor ihnen den Boden bereits festgetreten hatten.
Irmingard und Adelheid, beide sehr viel jünger als Judith, erwiesen sich als angenehme Begleiterinnen. Sie beschwerten sich über keinerlei Mühsal und empfanden es gar als spannend und abenteuerlich, die letzte der drei Reisenächte unter freiem Himmel zu verbringen. Die blassblonde Irmingard plauderte so munter über die Brautschau, dass Judith den Verdacht der Frau Stemma für durchaus gerechtfertigt hielt. Adelheid, wesentlich stiller und zarter als ihre ältere Schwester, hatte schon bald Konrads Interesse geweckt. Er mochte keine vorlauten Frauen. Da Judith und Irmingard offenbar Gefallen aneinander gefunden hatten und sich angeregt unterhielten, nutzte er die Gelegenheit, neben Adelheid herzureiten.
»Unsere Schwestern verstehen sich ja bestens«, eröffnete er das Gespräch und deutete auf die vor ihnen Reitenden, »aber ihr beide scheint recht unterschiedlich zu sein.« Wohlwollend betrachtete er Adelheids weich geschnittenes Profil. Das der älteren Irmingard wirkte durch die markante Nase kühn geschwungen und vermittelte den Eindruck, sie würde gleich auf eine Beute niederstoßen.
»Ist das bei Geschwistern nicht meistens so?«, fragte sie.
»Möglich«, erwiderte Konrad und bemerkte: »Vielleicht haben es die Jüngeren schwerer, weil sie ihren Platz neben den Älteren erst noch behaupten müssen.«
Adelheid dachte an ihre achtjährige Schwester, die in Tours bei der Mutter verblieben war. »Am besten hat es das jüngste Kind«, erklärte sie. »Das wird von allen verwöhnt, ohne dass es selbst dafür etwas tun muss.«
In späteren Jahren sollten sich beide in einem gänzlich anderen Zusammenhang noch oft an diesen Satz erinnern.
Dunkle Wolkenfetzen jagten bereits wieder über den Himmel, als sie an den ersten Gehöften außerhalb Aachens vorbeikamen. Der Führer trieb zur Eile an. Das war Judith nur recht. Sie konnte es kaum erwarten, die altvertrauten Gebäude der Kaiserpfalz wieder zu betreten.
Doch sie wurde enttäuscht. Der Reisezug hielt vor einem lang gestreckten niedrigen Haus aus Holz und Lehm. Hier sollten die Bewerberinnen bis zur Brautschau wohnen, wurde ihr mitgeteilt.
Sie stieg von ihrem Pferd und blickte etwas neidisch Irmingard und Adelheid nach, die zu den Pfalzgebäuden geleitet wurden, um dort auf ihren Vater zu treffen.
Frau Stemma war ihrem Blick gefolgt.
»Keine Sorge, Kind«, sagte sie ungewöhnlich nachsichtig. »Die Füße sind viel zu groß.«
»Bertrada, die Mutter von Kaiser Karl hatte sogar zwei unterschiedlich große Füße«, entgegnete Judith.
»Und? Ist sie etwa Kaiserin geworden?«, gab Frau
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