Die Welfenkaiserin
dänischen König Harald Klak zuwarf, Eispfeile abgeschossen, wickelte sich der Nordmann fester in seinen mit Goldfäden durchwirkten roten Wollmantel.
»Er könnte sich taufen lassen«, bemerkte Erzbischof Ebbo von Reims betulich. Der Milchbruder des Kaisers lächelte dem Gast freundlich zu und gab sich einen Augenblick lang dem Traum hin, wie einst Bonifatius als Missionslegat des Papstes den hohen Norden zu christianisieren. In der Geschichte dürfte dann wohl kaum noch vermerkt werden, er wäre als Spross eines leibeigenen sächsischen Bauern in Unfreiheit geboren worden!
»Eine Taufe wäre auch mir am liebsten«, versetzte der Kaiser, »und er wird dies gewiss nachholen, sobald mit unserer Hilfe seine Position in Dänemark gefestigt ist.«
»Wenn dies geschehen ist, verspreche ich, dass unsere Schiffe eure Küsten nicht mehr belästigen werden«, meldete sich der fünf Jahre zuvor vertriebene Monarch zu Wort, der es ungehörig fand, dass über ihn geredet wurde, als wäre er nicht anwesend. Er beschloss, sich keinesfalls taufen zu lassen. Der christliche Kaiser würde ihn schon aus eigenem Interesse mit Kriegern ausstatten wollen, ohne dass er, Harald, seine Götter zu verärgern brauchte. Die Angelegenheit duldete allerdings keinen Verzug. Die Winde standen günstig, und seine Mannen, die sich in Aachen langweilten, wurden immer ungeduldiger. Zumal sich die Gerüchte von Häusern voller schöner und williger Freimädchen in Aachen nicht bewahrheitet hatten. Höchst verärgert überlegte Harald Klak, wie viel doch von Weibern abhing. Von solchen, die nicht zur Verfügung standen und solchen, die jetzt in der Beratungskammer ganz offensichtlich die Gedanken der jüngeren Mitglieder des kaiserlichen Rats mehr beschäftigten als das Los Dänemarks.
Die Söhne des Kaisers rutschten tatsächlich sehr unruhig auf ihren Sitzen herum. Wie sollten sie jetzt auch an Politik denken können! Schließlich warteten zur selben Stunde in der Königshalle unmittelbar unter ihnen die schönsten und edelsten Jungfrauen des Reichs auf den Kaiser und seinen Hofstaat. Allein dieser Gedanke brachte das Blut der jungen Männer gehörig in Wallung.
Lothar, der älteste Sohn, versuchte ein Stichwort zu liefern: »Vielleicht findet unser hoch geschätzter Gast aus dem Norden hier in Aachen eine Frau, die er heimführen und die ihn im Christentum unterweisen kann? Angesichts all der schönen edlen Mädchen, die gerade in diesem Augenblick die Aula schmücken …«
Eine Frau war wirklich das Letzte, womit Harald Klak jetzt ausgestattet werden wollte. Er setzte zu einer Antwort an, die das Gespräch wieder auf sein vordringliches Anliegen lenken sollte, als Kaiser Ludwig seine Stimme erhob. »Der gesamte Hof scheint derzeit kein anderes Thema als Heirat zu kennen«, bemerkte er müde. »Nur ich verspüre nicht die geringste Geneigtheit dazu.«
Erschrocken richteten sich die älteren Berater auf. Gleich würde Ludwig wieder von einem Leben im Kloster schwärmen, einer Zukunft, die er ausschließlich Gott und dem Gebet weihen wollte. Diesen Wunsch hatte er schon während seiner Ehe hin und wieder geäußert, aber die ehrgeizige Kaiserin Irmingard hatte es abgelehnt, den Schleier zu nehmen. Ihr Tod hatte den Weg des Kaisers ins Kloster zwar geöffnet, aber seinen Beratern war es dann doch gelungen, ihn zum Bleiben zu bewegen. Was würde aus ihren Ämtern werden, wenn der Kaiser sie jetzt im Stich ließe? Was aus ihren Pfründen, wenn der unberechenbare und sehr eigenwillige Lothar an die Macht käme, wie in der Ordinatio imperii vorgesehen? All die Mühe, den Kaiser von einer neuen Heirat zu überzeugen und so viele edle Jungfrauen in Aachen zu versammeln, wäre umsonst gewesen. Der Gast aus Dänemark rückte dabei vollends in den Hintergrund.
Diesmal trat Hugo Graf von Tours die Argumentation gegen das Mönchtum den beiden Erzbischöfen ab. Schließlich konnte er sich nicht noch weiter vorwagen, als er es ohnehin schon getan hatte. In den vergangenen Wochen hatte er dem Kaiser gegenüber sehr oft das Loblied seiner ältesten Tochter gesungen. Wenn Ludwig die Vorzüge seiner verstorbenen Gemahlin Irmingard pries, hatte Graf Hugo stets vorsichtig angedeutet, seine Tochter trage nicht nur den gleichen Namen, sondern verfüge auch über ebendiese Eigenschaften. Er kannte Ludwigs Abneigung gegen Neuerungen. Und seine schüchterne jüngere Tochter Adelheid wollte er Lothar schmackhaft machen. Hugo hatte ein Vermögen und ungeheure Mühen
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