Die Welfenkaiserin
hierfür besonders geeignet sind. Du siehst gesund aus, meine Judith! Es geht dir also gut?«
»Ja, gewiss«, antwortete Judith, nahm Gerswind an der Hand und zog sie neben sich auf die Bank. »Ich bin so froh, dass du hier bist! Gerade heute!« Welch ein treffliches Zeichen, dass dieser Tag, an dem sie von Verrat umgeben war, mit dem Besuch des vertrauenswürdigsten Menschen auf der Welt ausklingen sollte! Mit Gerswind in ihrer Nähe würde sich alles zum Guten wenden.
»Aber warum schleichst du dich hier des Nachts herein, anstatt dir als meine Tante Ehre erweisen zu lassen und mich bei Tageslicht zu besuchen?«
Einen Augenblick lang verfinsterte sich Gerswinds Gesicht. »Hast du mit deinem Mann nie über mich gesprochen?«, fragte sie. Als Judith nicht antwortete, fuhr sie fort: »Er würde mich hier nicht dulden, glaube mir. Es ist besser, er weiß nicht, dass ich hier bin.«
Judith erinnerte sich an Ludwigs finstere Miene, als er erfahren hatte, woher ihr Ring stammte.
»Was ist zwischen euch vorgefallen? Ich will es endlich wissen!«
»Das ist sehr lange her und hat mit dir nichts zu tun«, erwiderte Gerswind ausweichend. »Ist er gut zu dir?«
»Sehr gut, der liebevollste Mann, den ich mir wünschen könnte.«
»Er schlägt dich also nicht?«
»Warum sollte er so etwas tun?«
»Er macht dich glücklich?«
»Ja.«
»Und ist der Vater deiner Kinder?«
Diese Frage kam so überraschend, dass es Judith die Sprache verschlug. Sie streckte die Hand aus und betrachtete verlegen ihren Ring. Gerswind folgte ihrem Blick.
»Du bist dahintergekommen«, murmelte sie. »Es ist also tatsächlich wahr geworden: Er begehrt dich, ohne dich besitzen zu können.«
Überrascht blickte Judith zu ihr auf.
»Woher weißt du das?«, entfuhr es ihr. Es gab schließlich nur drei Menschen, die über diesen Zustand im Bilde sein konnten.
Gerswind griff nach Judiths Hand und klopfte auf den Ring. »Du musst ihn loswerden!«, sagte sie eindringlich. »Gib ihn so schnell wie möglich weiter! Vielleicht kannst du damit den Bann brechen!«
»Welchen Bann …« Judith brach ab, riss sich von Gerswind los, sprang auf und fasste sich ans Herz, das mit einem Mal zu rasen begonnen hatte. Eine Erinnerung. Gerswind, die vor dem Feuer hockte und über dem Ring in der Schale Unverständliches murmelte …
»Nein«, sagte sie dumpf, schüttelte den Kopf und starrte auf den Ring, der im Schein der Öllampen Funken sprühte. So wie damals in Prüm, als Gerswind ihn ihr geschenkt hatte. Im Verlauf eines Rituals, das sie damals belächelt hatte und das sich ihr jetzt ganz anders darzustellen schien. »Nein, Gerswind, das hast du mir nicht angetan. Das nicht. Das ist doch ganz und gar unmöglich.«
Auch Gerswind hatte sich erhoben. Sie wollte Judith umarmen, sie trösten, ihr alles erklären, sie um Verzeihung bitten und mit ihr zusammen nach einer Lösung suchen. Ihre Nichte trat jedoch einen Schritt zurück und hob die Hand.
»Rühr mich nicht an!«, zischte sie. »Du bist schuld! Du hast unser Unglück heraufbeschworen! Du hast des Kaisers Geschlecht gemeuchelt! Mit deinem Zauber!«
»Du glaubst doch nicht an meinen Zauber«, flüsterte Gerswind verzweifelt. »Ich wollte nur das Beste für dich.«
»Das Beste für mich!«, rief Judith höhnisch. Verrat, dachte sie, überall umgibt mich Verrat! Selbst da, wo ich mich am sichersten und geborgensten fühlte! »Das hast du gut hinbekommen, Gerswind! Mein Mann versagt, sobald er mich in die Arme nimmt, und verzweifelt schier daran! Wie ein Freimädchen habe ich mich einem anderen hingegeben, der nur seinen eigenen Vorteil im Kopf hat! Der dafür jetzt sein Leben lassen wird! Ich lebe in Todesangst vor Entdeckung! Muss mir für meine Schwangerschaften Lügen einfallen lassen! Das Beste für mich! Da hast du deinen Zauberring!«
Sie zog ihn vom Finger und warf ihn Gerswind vor die Füße.
Gerswind war leichenblass geworden. Sie darf sich nicht aufregen, dachte sie verzagt, warum nur habe ich Schicksal gespielt, warum nur Judith für meine Rache missbraucht! Ihr alter Mentor Teles kam ihr in den Sinn, der sie einst inständig vor den unkontrollierbaren Mächten der Magie gewarnt hatte. Spiele nicht mit Geistern, es könnte dich selbst treffen. Und jetzt hatte es Judith getroffen. Sie glaubte kaum, den Fluch aufheben zu können, aber sie wollte nichts unversucht lassen.
»Hast du Rauchwerk da?«, fragte sie, als sie den Ring vom Boden aufhob.
»Dafür habe ich keinerlei Verwendung!«,
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