Die Welfenkaiserin
ausgefuchster, als er vermutet hatte. Nie wieder würde er sie unterschätzen.
Hätte er seinen Blick von dem Brot gehoben, in das er mit unterdrückter Wut seine Zähne getrieben hatte, wäre ihm Judiths entgeisterte Miene nicht entgangen. Die Kaiserin war ahnungslos, hatte Graf Hugos Schweigen als Bestätigung der vollendeten Tat gewertet.
»Ich wurde in einen Hinterhalt gelockt und von fünf Männern angegriffen«, las Ludwig vor. Judiths Zehen krümmten sich. »Ich habe mich ihrer erwehren können und drei niedergestreckt. Es war kein gewöhnlicher Raubüberfall, denn einen der Männer habe ich erkannt. Zu welchem Haus er gehört, möchte ich diesem Schreiben jedoch nicht anvertrauen.«
Judith stieß einen Schrei aus und blickte ungläubig an sich herab. Ihr Wasser war gebrochen. Einige Wochen zu früh.
»Es ist so weit!«, stöhnte sie. Hektik brach aus. Ludwig nahm seine Gemahlin auf den Arm und trug sie zu ihrem Gemach, die Frauen des Hofs eilten hinterher und riefen nach der Hebamme. Keine habe Gnade vor den Augen der Kaiserin finden können, bedauerte die Kammerfrau und holte Frau Stemma.
»Ihr habt ja alle anderen Hebammen abgelehnt«, sagte Judiths Dienerin mit stiller Befriedigung, als sie das entsetzte Gesicht der Kaiserin sah.
Frau Stemma machte sich ohne Umstände ans Werk. Sie stellte fest, dass das Kind unglücklich lag, und riet dem Kaiser, die Geburt nicht abzuwarten, sondern seiner Arbeit nachzugehen. »Dies wird ein mühseliges Unterfangen!«
In den frühen Morgenstunden ritten Harald Klak und Erzbischof Ebbo in der Frankfurter Pfalz ein. Sie hatten es eilig, beim Kaiser vorgelassen zu werden, da sich Harald Klak wieder einmal in Schwierigkeiten befand und der Hilfe Ludwigs bedurfte. Seine Mitkönige drohten, ihn abermals vom Thron zu stoßen, wenn er Ebbo weiterhin erlaube, den christlichen Glauben in Dänemark zu verbreiten.
Ebbo verlangte, unverzüglich zum Kaiser geführt zu werden. Das gehe nicht, wurde ihm beschieden, der Kaiser empfange gerade die Gesandten, die aus Rom zurückgekehrt seien.
»Zu diesem Kreis gehören wir auch«, versicherte Ebbo, »schließlich habe ich meinen Auftrag zur Christianisierung Dänemarks vom edlen Papst Paschalis höchstselbst erhalten.« Er schob sich an den Wachen vorbei und marschierte, mit Harald Klak hinter sich, einfach in die Beratungskammer des Kaisers.
Der blickte ob der Störung ungehalten auf. So wie sich seine Miene beim Anblick Ebbos erhellte, verfinsterte sie sich augenblicklich, als er den Mann hinter ihm erkannte. Nicht etwa, dass er etwas gegen den Dänen gehabt hätte, ganz im Gegenteil, er sah es als seine Aufgabe an, ihn irgendwann doch noch zur Taufe zu überreden, aber Harald Klak schien eine Gabe dafür zu haben, immer dann aufzutauchen, wenn er überhaupt nicht erwünscht war. Zum Beispiel jetzt, da von möglicher Fehlbarkeit des Papstes gesprochen wurde, nicht gerade die beste Empfehlung für das Christentum. Und Ludwig zudem mit den Gedanken bei seiner Judith war, die einem mühsamen Unterfangen ausgesetzt war.
Mit dem Zeigefinger auf den Lippen wies Einhard den beiden Männern Plätze an und forderte Graf Hunfrid von Chur auf, mit seinem Vortrag fortzufahren.
»Papst Paschalis hat im Lateran geschworen, an den Morden seiner Beamten keinen Anteil gehabt zu haben«, sagte er.
Ebbo schnaufte. »Da bin ich ja gerade rechtzeitig eingetroffen!«, rief er empört. »Wer wagt es, am Heiligen Vater zu zweifeln!« Und noch dazu in Gegenwart jenes Heiden, den wir seit Jahren vergeblich zu bekehren versuchen, setzte er für sich hinzu.
Der zweite Gesandte, Abt Adalung, ignorierte den Einwurf des Erzbischofs und berichtete weiter: »Alle vierunddreißig Bischöfe haben den gleichen Eid geleistet. Daraufhin haben wir die Auslieferung der Täter verlangt, um von ihnen die wahren Urheber dieser Hinrichtungen zu erfahren.«
Ebbo sprang auf. »Die ganz bestimmt nicht im päpstlichen Umfeld zu suchen sind!«, rief er aufgebracht.
»Ebbo, mein lieber Freund«, wandte sich der Kaiser an seinen Milchbruder, »hindere uns nicht daran, Klarheit in eine Angelegenheit zu bringen, die das Bündnis zwischen Kaiser und Papst ernstlich gefährdet.« Er wandte sich an den Grafen: »Hat man euch die Mörder übergeben?«
Die beiden Gesandten sahen einander voller Unbehagen an. Der Papst habe dies mit den Worten verweigert, dass die gesuchten Männer Dienstleute des Heiligen Petrus seien. »Er erklärte überdies, den Getöteten sei als
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