Die Welfenkaiserin
schrie Judith. »Deine Zauberei hat schon genug Unheil angerichtet!« Sie stürzte zur Tür.
»Geh!«, verlangte sie mit zitternder Stimme. »Verschwinde aus meinem Leben. Ich möchte dich nie wiedersehen!«
Sie riss die Tür auf.
Gerswind legte den Ring auf den Schönheitstisch.
»Ich darf ihn nicht zurücknehmen«, sagte sie leise, als sie sich das Tuch wieder über den Kopf warf. »Aber du kannst ihn weitergeben. Und versuche vorher wenigstens, mit dem Dämon zu verhandeln.«
Mit gesenktem Haupt wandte sie sich zur Tür, drehte sich noch einmal um und warf Judith einen traurigen Blick zu. »Noch etwas«, sagte sie leise. »Lass den Tag aufschreiben, an dem dein Sohn geboren wird. Mein Karl …« ihre Stimme brach fast, »… hat zeitlebens darunter gelitten, dass er nicht einmal das Jahr seiner Geburt kannte.«
Ohne sich zu verabschieden, trat sie in den Flur.
Mit hoffnungsvoll fragendem Blick kam die Kammerfrau herbei. Judith schüttelte müde den Kopf und schloss die Tür. Leise seufzend begleitete die Kammerfrau Gerswind zum Ausgang. Es war wahrlich keine leichte Aufgabe, die Herrin zufriedenzustellen.
Judith setzte sich an ihren Schönheitstisch, schob das Öllämpchen näher zu sich heran und nahm den Ring in die Hand. Sie drehte und wendete ihn, rieb am Gold, kratzte am Diamanten, aber nichts geschah. Sie erinnerte sich, wie Gerswind damals in Prüm den Ring in ein Schälchen mit glimmenden Kräutern gelegt hatte. Alles in ihr widersetzte sich der Versuchung, nach so langer Zeit magisches Beiwerk zu gebrauchen. Außerdem wusste sie längst nicht mehr, welche Kräuter sie für bestimmte Beschwörungen benötigte. Die Zeiten von Gerswinds Naturmagie hatte sie schon zu lange hinter sich gelassen. Aber Feuer war immer nützlich, an so viel konnte sie sich noch erinnern. Schaden wird es wohl kaum, dachte sie und entzündete eine Kerze. Sie zog aus einer Lade einen silbernen Löffel, wickelte ein Stück Tuch um den Stiel, legte den Ring in die Rundung und hielt ihn über die Flamme.
»Dämon«, flüsterte sie und kam sich dabei ausgesprochen töricht vor. »Zeig dich mir!« Sie starrte intensiv auf den Reif, in der Hoffnung, ihm irgendeine Botschaft entlocken zu können. Aber wenn der Ring tatsächlich einen Dämon beherbergte, war dieser wohl eingeschlafen. Der Diamant schien weniger als sonst zu funkeln, und das Gold des Reifs wirkte matter. Nach einer kleinen Ewigkeit konzentrierten Starrens gab sie auf. Ihre Augen brannten. Verdrossen warf sie den Diamantring in eine Silberschale. Wie um Judith zu verhöhnen, kreiselte er lange Zeit hell klimpernd in der Schale herum, ehe er auf dem Boden zur Ruhe kam. Ein ganz normaler Ring, dachte sie, ein Ring wie jeder andere auch. Was mache ich hier nur! Voller Schreck erkannte sie, dass sie gerade wegen eines Zaubers, an den sie nicht glaubte, den Menschen verjagt hatte, der ihr auf dieser Welt so lange Zeit am nächsten gestanden hatte. Und den sie gerade in dieser verräterischen Zeit hätte brauchen können. Sie warf sich auf ihr Bett und weinte.
Am Mittag des 12. Juni erreichte den Hof eine Nachricht aus Barcelona. Ludwig ließ es sich nicht nehmen, den Brief bei der Abendmahlzeit selbst vorzulesen. »Ein gewaltiger Recke, mein Patensohn«, bemerkte er stolz und streichelte das Pergament. Graf Hugo löffelte gelassen seine Suppe und mied Judiths erschrockenen Blick. Der Fehlschlag des geplanten Attentats war ihm bereits vor Wochen zugetragen worden. Bernhard hatte ganz allein drei von Hugos besten Männern nahe Poitiers niedergestochen. Alle weitaus erfahrenere Kämpfer als der untersetzte Graf von Barcelona. Der war bei dem Überfall zwar verletzt worden, aber entkommen und inzwischen wohl so weit wiederhergestellt, dass er eigenhändig eine Epistel hatte verfassen und dem Kaiserhaus zusenden können. Graf Hugo hatte die Kaiserin nicht über das Missglücken des Mordanschlags in Kenntnis gesetzt. Inzwischen war er davon überzeugt, von ihr hereingelegt worden zu sein. Sie hatte die Dummheit seiner Tochter genutzt, um ihm eine Falle zu stellen und zusammen mit ihrem Liebhaber Bernhard etwas gegen ihn in die Hand zu bekommen. Graf Hugo liebte seine Tochter, aber er war nicht blind. Er konnte sich nur schwer vorstellen, dass sich Bernhard aus leidenschaftlicher Liebe zu Irmingard derart in Gefahr bringen würde. Vermutlich war alles ein abgekartetes Spiel gewesen. Er schalt sich einen Narren, Judiths Auftrag angenommen zu haben. Sie war erheblich
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