Die Welfenkaiserin
Majestätsverbrechern recht geschehen«, seufzte der Abt. »Da wir keinen Auftrag hatten, mit Gewalt vorzugehen, warten wir auf neue Anweisungen.«
»Ich fahre auf der Stelle nach Rom und bringe die Sache in Ordnung!«, meldete sich Ebbo wieder zu Wort. Eine Ader zuckte auf seiner buckligen Stirn. »Es geht nicht an, dass über die Führung der Christenheit solche Gerüchte in Umlauf gebracht werden!«
Das war zu viel für Harald Klak. Was interessierte es ihn, wenn sich die Christen gegenseitig die Köpfe ein- oder abschlugen! Und Ebbo hatte sich damit auch nicht zu beschäftigen. Er sollte sich gefälligst auf seine eigentliche Aufgabe besinnen. Die darin bestand, ihm, Harald Klak, mithilfe des Kaisers den dänischen Thron zu erhalten. Nur darum hatte Harald dem Erzbischof schließlich erlaubt, alle Dänen, die nichts dagegen einzuwenden hatten, mit Wasser zu übergießen. Nur darum hatte er dem Christengott mit seiner ganzen Familie die Einreise nach Dänemark erlaubt!
Aus leidvoller Erfahrung wusste Harald Klak, dass er mit Höflichkeit am Kaiserhof die gewünschte Hilfeleistung nur verzögern würde. Also erhob er sich.
»Verzeiht mein Eindringen«, setzte der Dänenkönig aufgewühlt an. »Auch die Führung von Dänemark befindet sich in großer Not! Mein Bruder und der Sohn von Göttrik wollen mich vertreiben wie der christliche Gott die alten Götter. Sie wollen mir vielleicht den Kopf abschlagen wie der Papst seinen Männern! Weil ich meinem Freund Ebbo erlaube, was der gütige Kaiser Ludwig zum Dank für seine großzügige Hilfe verlangt: Wasser auf Dänen zu schütten …«
Niemand hatte es übers Herz gebracht, ihn zu unterbrechen. Deshalb atmeten alle erleichtert auf, als an die Tür geklopft wurde. Harald Klak sprach unbeirrt weiter: »Das ist alles schmerzlos. Nicht wie manche unserer alten Rituale. Und Dänemark hat viel Wasser. Aber mein Bruder und der Sohn von Göttrik finden es schlecht, dass der Christengott wie ein König ist, der allein herrschen will. Welcher König will das nicht! Ich will auch lieber die dänische Krone allein tragen! Aber weil meine Verwandten Krieg führen, wenn ich die Macht nicht teile, gebe ich ihnen Platz auf meinem Thron. Wie ich dem Christengott Platz in meinem Land gebe. Ich bin sicher, auch die Götter meines Vaterlandes werden in Asgard Platz für euren Christengott übrig haben. Wie ich darf er eben nicht darauf bestehen, ganz allein zu herrschen …«
Aller Aufmerksamkeit war auf Einhard gerichtet, der die Tür geöffnet und ein paar Worte mit jemandem gewechselt hatte. Jetzt verkündete er fröhlich: »Gott sei gelobt, dem Kaiser ist ein Sohn geboren worden! Und der Kaiserin geht es gut!«
Wie ein junger Mann sprang Ludwig von seinem Thronsessel und eilte zur Tür.
Unbeirrt fuhr Harald Klak fort: »Ja, ich weiß, dem Christengott ist ein Sohn geboren worden …«
»Was wir in Rom weiter unternehmen werden, entscheide ich später«, flüsterte Ludwig hastig seinen Gesandten zu und verließ den Raum. Da er die Versammlung weder formell aufgelöst noch die Anwesenden entlassen hatte, brauchte niemand seine Neugier zu bezwingen. Alle Ratgeber, darunter die beiden Brüder der Kaiserin und der Mitkaiser Lothar folgten Ludwig zum Gemach der hohen Frau.
Harald Klak merkte nicht, wie sich der Raum leerte. Er hatte den Blick himmelwärts gerichtet und sprach weiter: »… auch wenn euer Gott nicht der wirkliche Vater von diesem Sohn ist. Das ist der Unsichtbare, der die Mutter geschwängert hat. Die ist außerdem auch noch die Frau von einem richtigen Menschen, aber darüber gibt es zwischen Christengott, menschlichem Ehemann und Unsichtbarem keinen Streit. Sie sind eine große glückliche Familie! Wie sich meine Untertanen das für ihre drei Könige auch wünschen! Und wenn euer Gott nicht in Zorn darüber gerät, dass sein Sohn drei Väter hat, wird er auch verstehen, dass er meinen Göttern alte Rechte nicht streitig machen darf …«
Sehr erleichtert, dass kaum jemand mitbekommen haben durfte, wie gründlich er mit seiner Missionstätigkeit am Dänenkönig selbst gescheitert war, zupfte Ebbo am rotwollenen Umhang des Harald Klak. Der ließ seinen Blick verwundert durch den leeren Raum schweifen. »Wo ist der Kaiser? Das Wichtigste habe ich doch noch gar nicht gesagt!«
»Aber gewiss doch!«, versicherte Ebbo. »Der Kaiser muss uns nur noch ausrüsten. Die Genehmigung dazu wird er bestimmt gleich erteilen. Komm, wir gehen ihm nach!«
Und damit
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