Die Welfenkaiserin
doch gerade erst auf die Welt gekommen!«, rief Ludwig belustigt. »Mach dir über seine Ausstattung keine Sorgen. Unser Reich ist riesig, da wird sich schon eine Grafschaft für ihn finden lassen!«
Eine Grafschaft, dachte Judith wütend, die anderen Söhne sind Kaiser und Könige. Laut sagte sie: »Vielleicht schenkt ihm ja Lothar zur Taufe eine.«
Das tat Lothar nicht. Aber er versprach, sein Patenkind stets zu beschützen, und gab eine vage Zusicherung, seinen Halbbruder Karl später mit Land aus seinem eigenen Hoheitsgebiet auszustatten.
Erzbischof Ebbo war zur Taufe nicht aus Dänemark gekommen, aber er hatte der Kaiserin ein sehr freundliches Schreiben gesandt, in dem er sich auch für den Ring bedankte, den sie ihm nach Karls Geburt hatte schicken lassen. Er versicherte ihr seine ewige Unterstützung in allem. Judith atmete tief durch. Es war eine gute Idee gewesen, dem Erzbischof den großen Diamantring zu schicken. Jedermann wusste, wie wichtig ihr das einzige Schmuckstück war, das sie auf der Brautschau getragen und danach nie wieder abgelegt hatte. In ihrem Begleitbrief hatte Judith den Erzbischof gebeten, diesen Ring anzunehmen und ihren Sohn und sie in seine Gebete einzuschließen. Mit anderen Worten: sie beide im Notfall auch politisch zu unterstützen. Hinzugefügt hatte sie noch, dass ihr Ebbo den Ring zurücksenden solle, falls er selbst jemals ihrer Hilfe und Fürsprache bedürfe. Sie hatte den Brief sehr herzlich abgefasst und damit offensichtlich einen alten Gegner auf ihre Seite gezogen.
Judith machte sich nichts vor. Es reichte nicht, einen Erzbischof und zwei Brüder zu Verbündeten zu haben; sie musste weitere Edle für sich und ihren Sohn gewinnen. Nach wie vor betrachtete sie Lothar als ihren und Karls gefährlichsten Gegenspieler, zumal sie wusste, dass seine Gemahlin Irmingard ihn unermüdlich gegen sie aufwiegelte.
Entgegen Judiths Erwartung hatte Irmingard sie nach der Entdeckung ihrer Liebschaft nie aufgesucht und es auch sonst vermieden, sie allein zu sprechen. Dafür aber streute sie böse Gerüchte über die Kaiserin. Judith konnte nicht wissen, dass Graf Hugo ihr dringend abgeraten hatte, sich mit Judith auf ein Gespräch einzulassen. »Du bist ihr nicht gewachsen«, hatte er nur erklärt und ihr ans Herz gelegt, der Kaiserin aus dem Weg zu gehen. Am Hof wurde gemunkelt, die immer noch kinderlose Irmingard neide der Kaiserin ihren Nachwuchs und habe sich mit ihr überworfen.
Judith fand sich nun in der seltsamen Lage, mit ihrer Feindin Irmingard Frieden schließen zu wollen, um Karls Zukunft zu sichern. Dass man sich Feinde mit Geschenken gewogen machen kann, hatte sich bei Ebbo gezeigt. Sie hatte Graf Wala für sein Kloster Corbie die villa regia Höxter mit allen dazugehörigen Gebieten geschenkt, dem Kloster Corvey ein kostbares Kreuz gestiftet und eine große Summe für reichhaltige Armenspeisung zur Verfügung gestellt, die im Volksmund Judithenbrot genannt wurde. Für Irmingard kam nur ein Geschenk infrage: dass auch sie in aller Form als Kaiserin angesprochen werden durfte. Dafür aber musste Lothar mit mehr Macht ausgestattet werden.
Judith suchte Einhard in der Hofschule auf und bat ihn um Rat. Der kleine Mann mühte sich, seine Ungehaltenheit zu verbergen, dachte sich aber seinen Teil: von Eitelkeit gelenkte Frauenpolitik. Eine Kaiserin, die sich in alles einmischt. Ein Kaiser, der sich von seiner Frau beherrschen lässt. So etwas war unter Kaiser Karl undenkbar gewesen. Der hatte sich zwar kurzzeitig auch von seiner Gemahlin Fastrada verwirren lassen – Einhard schauderte noch immer bei der Erinnerung an einen Kaiser, der von der Leiche seiner Frau erst hatte ablassen können, als irgendein Zauber angewandt worden war –, aber niemals hätte er ihr zugestanden, sich selbstständig mit Reichsangelegenheiten zu befassen. Keine der Gemahlinnen Karls hatte je von ihrem Recht Gebrauch gemacht, eigenständig zu handeln.
Einhard hatte Ludwig immer unterstützt, ihn in seiner Jugend gegen die böswilligen Streiche der Brüder, die hämischen Bemerkungen der zungenfertigen Schwestern und den Spott des Vaters in Schutz genommen. Er schätzte Ludwigs Frömmigkeit und hatte sich später dafür ausgesprochen, ihm die Kaiserwürde zu gewähren. Karl jedoch hatte Ludwig für zu schwach und beeinflussbar gehalten und seine älteren Brüder vorgezogen. Mit Recht, wie Einhard sich jetzt eingestehen musste. Schon Ludwigs erste Gemahlin hatte bedenklichen Einfluss ausgeübt,
Weitere Kostenlose Bücher