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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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aber seine Schwäche für die schöne Welfentochter könnte das gesamte Werk Karls des Großen gefährden.
    Einhard wollte nicht zusehen, wie im Streit um die Nachfolge alles zusammenbrach. Sein Sinn stand seit dem Tod seiner geliebten Emma überhaupt nicht mehr danach, am Hof zu verweilen, daher verfolgte, der einstige Schreiber Kaiser Karls eine sehr geheime und heikle Mission in eigener Sache. Doch Ludwig hatte ihm den Abschied vom Hof verweigert. Wenn er jetzt Judith klugen Rat erteilte, sollte sie sich gefälligst für seine überaus wichtige Reise nach Rom einsetzen.
    »Dein Gemahl bezeichnet Lothar in aller Form als imperii socius und lässt alle Urkunden und Kapitularien auch in seinem Namen ausstellen«, sagte er zu Judith. »Damit darf sich seine Gemahlin Irmingard dann auch Kaiserin nennen. Und jetzt habe ich eine Bitte.«
    »Kann ich sie dir erfüllen?«
    »Ja. Sorge dafür, dass ich sobald wie möglich nach Rom reisen kann. Es ist wichtig«, sagte er schroff und hasste sich dafür, dass auch er, der getreuste aller Kaiserberater, sich dieser Welfin bedienen musste, um seinen Traum zu verwirklichen. Der kleine Mann unterdrückte einen Seufzer.
    »Du lehnst mich immer noch ab«, sagte Judith geradeheraus, die mühelos in Einhards Gesicht lesen konnte. »Ich bin keine machtlüsterne Kaiserin. Ich bin nur eine Mutter, die ihr Kind schützen will. Verstehst du das?«
    Lärm, der vom Hof plötzlich in die Schule drang, Rufe, Pferdegetrappel und Waffengeklirr enthoben Einhard einer Antwort. Er trat an ein schmales Fenster und bemerkte: »Eine gewaltige Reisegruppe. Offensichtlich unangekündigt.«
    Auch das wäre früher undenkbar gewesen.
    Ohne ihm eine Zusicherung zu geben oder sich zu verabschieden, rannte Judith aus der Lehrkammer hinaus. Der Hof war voller fremder Menschen in Reisekleidung, Pferde wurden in den Marstall gebracht, Vorräte entladen, und das Gesinde lief wie eine aufgescheuchte Hühnerschar umher. Judith hielt Ausschau nach bekannten Gesichtern und dem Banner eines der Kaisersöhne, denn nur diese reisten mit so großem Gefolge. Aber warum hatte kein Bote ihr Kommen angemeldet?
    Sie erschrak fast zu Tode, als sich von hinten kräftige Arme um sie schlangen.
    »Meine Tochter!«, rief Graf Welf und drehte sie zu sich um. »Du siehst prächtig aus!«
    »Vater …« Verwirrt deutete Judith auf das Gewimmel im Hof. »Wo kommt ihr her? Warum habt ihr euch nicht angemeldet? Das sind doch nicht alles deine Leute?«
    »Natürlich nicht!« Er strahlte übers ganze Gesicht. »Auch die von Dhuodas Bräutigam. Es war seine Idee, euch zu überraschen! Und wie ich sehe, ist es uns gelungen.«
    »Dhuodas Bräutigam?«
    »Wir werden hier in Aachen die Hochzeit deiner Schwester feiern.« Graf Welf beugte sich zu Judith hinunter und flüsterte ihr ins Ohr. »Ein Edelmann, stell dir vor! Ich war überglücklich, als er ganz unvermittelt bei uns in Altdorf auftauchte und um Dhuodas Hand anhielt.« Graf Welf lächelte verschmitzt. »Du wirst dich freuen. Er ist ein alter Freund von dir und dem Kaiser.«
    Mit Dhuoda am Arm und federndem Schritt kam Bernhard auf sie zu. Judith versteinerte. Wie konnte er es wagen, ihre Familie als Schutzschild zu missbrauchen!
    Papst Paschalis überlebte seinen Meineid nur um wenige Wochen. Auf den Tag vier Monate nach seinem Tod wurde Judiths Schwester Dhuoda mit Bernhard von Barcelona in der Aachener Pfalzkapelle feierlich vermählt. Doch das Freudenfest endete mit einer Tragödie.
    Überglücklich, dass seine unscheinbare Tochter einen so bedeutenden und einflussreichen Mann erobert hatte, sprach Graf Welf beim Gelage dem ungewohnt starken Wein und dem reichen Wildbret so kräftig zu, dass er in den frühen, aber noch dunklen Morgenstunden ungutes Rumoren im Magen verspürte. Er wollte sich im Freien erleichtern und verließ das kaiserliche Gastzimmer im Palatium. Die Öllampen waren erloschen, sodass er im Dunkel des Ganges gegen ein Hindernis stieß und das Gleichgewicht verlor. Stürzend suchte er Halt an der Wand und riss dabei das schwere Holzkreuz herunter. Es traf ihn so unglücklich im Genick, dass er augenblicklich verschied. Der Kaiser höchstselbst entdeckte den Leichnam und ordnete am nächsten Tag eine Untersuchung an, um herauszufinden, was seinen Schwiegervater zu Fall gebracht hatte. Natürlich würden die Prüfer nicht entdecken, dass der Kaiser selbst Teil des verhängnisvollen Hindernisses gewesen war. Gemeinsam mit jener goldhaarigen Magd, die schon vor

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