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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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Jahren den Auftrag erhalten hatte, jeden Tag im Morgengrauen den Holzboden auf dem Gang vor dem kaiserlichen Gemach zu schrubben, sich bei Unterbrechung dieser Tätigkeit nicht umzudrehen, nie ihr Gesicht zu zeigen und keine Laute auszustoßen.
    Die Trauerfeier in der Pfalzkapelle überstieg die Kräfte der Gräfin Heilwig. Nur einen Tag zuvor hatte sie ausgelassen das Glück gefeiert, die ungeliebte Frucht aus einer außerehelichen Verbindung ihres Mannes durch eine so ehrenvolle Heirat endgültig losgeworden zu sein. Gott hatte sich mit der Strafe für ihre frevelhaften Gedanken keine Zeit gelassen, sondern ihr noch in derselben Nacht den Mann genommen! Wie würde sie diese Schuld je abtragen können? Sie weinte laut und zitterte am ganzen Leib. Erstaunt und beeindruckt von der Liebesfähigkeit ihrer Mutter, legte Judith den Arm um deren Schultern und geleitete sie langsam zum Ausgang der Kapelle. Die Kaiserin war froh, dem Rest der Feierlichkeit entkommen zu können, und bedauerte die Schwester, die keine Ahnung von der Gerissenheit des Mannes an ihrer Seite hatte. Der Judith seit seiner Ankunft am Hof zwar verhalten, aber mit großer Höflichkeit begegnet war. »Jetzt gehört Bernhard auch zu deiner Vatersfamilie«, hatte sich Ludwig erfreut über die Wahl seines Patensohnes geäußert. Er hätte auch gern noch etwas Liebenswürdiges über die Braut gesagt, aber zu Dhuoda wollte ihm einfach nichts einfallen.
    Mit einer noch nie zuvor empfundenen Zärtlichkeit flüsterte Judith ihrer Mutter in der Kapelle zu, sich besser eine Weile hinzulegen.
    Leises Räuspern am Portal zum Holzgang ließ sie aufblicken. Wie versteinert blieb sie stehen. Diesen Menschen hätte sie nie im Leben in einem christlichen Gotteshaus erwartet.
    »Verzeiht«, raunte ihr Harald Klak zu. »Ich weiß, ich komme diesmal etwas ungelegen. Aber es ist sehr dringlich und duldet keinen Aufschub – ich benötige Hilfe, mein Thron ist in Gefahr!«

6
    Aus den Chroniken der Astronoma
    Im Jahr des Herrn 826
    Kaiser Ludwig erörtert mit dem Dänenkönig Harald Klak in einer Reichsversammlung zu Ingelheim die Unruhen an den nördlichen Grenzen des Frankenreiches. Harald Klak, der jetzt nach dem Tod des Göttriksohnes seinen Bruder Horik loswerden will und die dänische Krone für sich allein beansprucht, gelobt, die Verbreitung des Christentums in seinem Land mit Macht voranzutreiben. Endlich entschließt er sich zur Taufe. Er schifft sich mit Weib, Kind und vierhundertköpfigem Gefolge ein und fährt den Rhein hinauf nach Mainz. Die Dänen werden mit aller Pracht vom Hof empfangen und am 24. Juni in Sankt Alban zu Mainz getauft. Kaiser Ludwig übernimmt die Patenschaft für Harald, Kaiserin Judith für dessen Gemahlin Gudrun und Mitkaiser Lothar für den Sohn Gottfried. Harald Klak, der sein Königsornat mit Schwert und Gürtel angelegt hat, wird in einer prunkvollen Feier von Ludwig gekrönt und von Erzbischof Ebbo von Reims gesalbt. Zudem belehnt Ludwig den Dänenkönig mit der Grafschaft Rüstringen, einem Gau im Nordosten Frieslands. Auf den Heimweg nach Dänemark begleiten ihn nicht nur die guten Wünsche des Kaiserpaares, sondern auch der Mönch Ansgar vom Kloster Corbie, der Ebbos Missionsarbeit im Norden fortsetzen soll.
    Der Kaiser definiert den Silberdenar. Von nun an werden aus einem Pfund Silber 240 Münzen geprägt. Dieser Beschluss trägt, wie alle anderen Urkunden und Kapitularien, jetzt nicht nur den Namen des Kaisers, sondern auch den seines Mitkaisers Lothar. Dieser älteste Sohn Ludwigs hat sich dadurch ausgezeichnet, dass er in Rom die Constitutio Romana erlassen hat. Dadurch soll der Kirchenstaat fest in die fränkische Herrschaft eingebunden werden. Kaiser und Mitkaiser überwachen von nun an Verwaltung und Gerichtsbarkeit in Rom und gelten als letzte Instanz. Jeder neu gewählte Papst muss vor seiner Weihe einen Treueid gegenüber Ludwig und Lothar leisten. Derzeit hält sich Lothar die meiste Zeit an der Seite des Vaters auf. Er und seine Gemahlin Irmingard freuen sich über die Geburt ihres Sohnes, der nach dem Großvater Ludwig genannt wird.
    Heilwig, Mutter der Kaiserin Judith und Witwe des Grafen Welf wird nach dem Tod ihres Gemahls Äbtissin des Klosters Chelles. Ludwig von Bayern, der Sohn des Kaisers, heiratet Hemma, die Tochter des Grafen von Welf. Hemma ist jetzt also nicht nur Schwester der Kaiserin Judith, sondern auch deren Schwiegertochter.
    Das Jahr klingt mit einem besorgniserregenden Ereignis aus, einem

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