Die Welfenkaiserin
Gruft als Wahnsinnige gebärdet hatte.
»Du überträgst ihm natürlich ein kleines Landgut oder so etwas«, meinte Judith und öffnete die Eichentruhe, auf der sie soeben noch gesessen hatte. »Ich habe mir etwas Besonderes ausgedacht. Einhard ist jetzt freundlicher zu mir, und ich will ihn mir schließlich weiterhin gewogen halten.« Sie bückte sich, sodass ihr Kopf hinter dem Deckel der Truhe verschwand. Ludwig hörte leises Klimpern und Rasseln.
»Schau her!«, rief Judith. Sie knallte den Truhendeckel zu, sprang mit einem Satz auf das Möbel und blieb dort still stehen. Um ihre Mitte hatte sie einen breiten goldenen Gürtel gelegt, auf dem zahllose Edelsteine in vielen Farben funkelten und das schlichte weiße Hemd in eine edle Robe verwandelten. Wie eine Erscheinung aus einer längst versunkenen Götterwelt, wie eine römische Vestalin thronte sie über dem im Bett liegenden Mann, dem plötzlich eine Eingebung kam.
Sie ist die Unerreichbare, dachte er, sie ist die Verheißung vollkommenen Glücks. Doch dieses auf Erden zu ergreifen hieße Gott zu versuchen, denn Vollkommenheit bleibt dem Paradies vorbehalten. Sie ist mir zur Beherrschung meiner Triebe gesandt worden, zur Begleichung der Sünden meines lüsternen Vaters und meiner eigenen. Ich nehme die Buße endgültig an. Meiner Gemahlin gleich werde auch ich mich künftig in Enthaltsamkeit üben. Mich geißeln, wenn das Blendwerk des Teufels mir Verlockungen sendet. Er war froh, sich keiner Magd mehr bedient zu haben, seitdem sein Schwiegervater im Gang von dem Holzkreuz erschlagen worden war.
»Diesen Gürtel«, sprach Judith, »diesen meinen schönsten drei Pfund schweren Gürtel werde ich den beiden Märtyrern weihen.«
Ludwig, noch immer von der Göttlichen Offenbarung überwältigt, nickte zustimmend. »Womit alles geklärt ist«, sagte er leise.
»Du bist böse!«, greinte der fast vierjährige Knabe. Als ihm Judith eine Ohrfeige versetzte, trieb er wütend seine Kinderlanze in den Waldboden. »Ich will mit auf die Jagd! Ich will einen Bären erlegen! Vater hat es erlaubt!«
»Aber Mutter hat es dir verboten!«, krähte triumphierend die ein Jahr ältere Gisela von ihrem kleinen Pferd herunter. Sie war froh, dass zumindest diesmal der so deutlich bevorzugte Bruder in seine Schranken verwiesen wurde. »Da kann Vater sagen, was er will. Des Kaisers Herrin bestimmt, was wirklich geschieht!«
Vollauf mit Karl beschäftigt, hätte Judith Giselas Bemerkung überhört, wenn nicht Ruadbern sich vernehmlich geräuspert und das Mädchen scharf darauf hingewiesen hätte, sich aus der Auseinandersetzung zwischen ihrer Mutter und ihrem Bruder herauszuhalten.
Judith blickte erschrocken zu ihrer Tochter.
»Du irrst dich«, fuhr sie das Mädchen an, froh, dass niemand außer Ruadbern die Worte ihrer Tochter vernommen hatte. Die Kleine konnte sich diesen Satz unmöglich selbst ausgedacht haben. Wo hatte sie ihn aufgeschnappt, wer hatte ihn ihr in den Mund gelegt? Nur des Kaisers Herrin bestimmt, was wirklich geschieht. Wer gab ihren Mann der Lächerlichkeit preis und zweifelte seine Autorität an?
Um Fassung ringend, sagte sie laut und deutlich zu ihrer Tochter: »In diesem Reich bestimmt immer der Kaiser, was geschieht!«
»Dann darf ich auf die Jagd!«, jubelte Karl. Er entriss seiner Mutter das Kinderschwert, das sie ihm abgenommen hatte, und gurtete es sich wieder um.
Der inzwischen siebzehnjährige Ruadbern beugte sich zu Judith hin und flüsterte ihr etwas ins Ohr.
»Mach das«, versetzte sie erleichtert und wandte sich wieder ihrem Sohn zu.
»Dein Vater hat dir versprochen, dass du auf der Jagd ein Tier erlegen darfst, und das werde ich dir auch nicht verbieten«, sagte sie. »Dein Vater möchte aber nicht, dass du mit deinem kleinen Pferd zwischen den großen Männern reitest.«
»Aber wie soll ich sonst ein Tier töten?«, fragte der Knabe misstrauisch.
»Heute Abend. Es ist eine Überraschung, und alle werden zusehen, wie du das Tier erlegst«, sagte Judith. Immer noch mit den Gedanken bei der fürchterlichen Bemerkung des Kaisers Herrin, überlegte sie, welche Bestien es am Hof zu erlegen galt. Hatte sie gegen einige wenige Raubtiere wie Irmingard und Lothar oder gegen eine Vielzahl giftiger Kriechtiere anzukämpfen? Sie würde es herausfinden.
Als sich die Jagdgesellschaft später um das große Kochfeuer versammelt hatte, setzte Judith ihren Mann über die geplante Überraschung für Karl ins Bild. Ludwig nickte anerkennend.
»Das war
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