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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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sehr klug von dir«, sagte er. Bei sich dachte er, wie mutig sein Sohn doch sei. In seinem Alter hatte ich sogar Angst vor Pferden, erinnerte er sich, und wäre nie auf den Gedanken gekommen, bei einer Jagd mitmachen zu wollen. Wie oft hat mich mein Vater deswegen gemaßregelt! Wie oft hat er mich einen Weichling geschimpft! Mir meine Brüder, ja, sogar meine Schwestern als Vorbilder hingestellt. Die jetzt fast alle tot sind. Schade, dass er nicht erleben konnte, welche Tapferkeit dieser Sohn aufweist, der seinen Namen trägt!
    Er rief den Knaben zu sich, strich ihm voller Zärtlichkeit über den Kopf, zog ihn auf seinen Schoß und küsste ihn auf den Scheitel. Die Brüder Lothar und Ludo, die sich derzeit am Aachener Hof aufhielten und denen zu Ehren diese Jagd stattfand, warfen einander einen sprechenden Blick zu. Sie konnten sich nicht daran erinnern, jemals so liebevoll vom Vater geherzt worden zu sein. Im Gegenteil. Nie hätten sie wie ihr Halbbruder den Vater aus eigenem Antrieb aufsuchen, nie von sich aus das Wort an ihn richten dürfen. Es war vorgekommen, dass sie ihn monatelang überhaupt nicht zu Gesicht bekamen und nach dem lang erwarteten Wiedersehen mit einem kargen Begrüßungswort abgespeist wurden. Ganz anders verhielt es sich mit Karl, der ständig in der Nähe des Herrschers weilte, mit ihm reiste, zu seinen Füßen spielte, wenn er Würdenträger empfing, und der sogar an der Abendtafel auf einem eigens für ihn angefertigten hohen Stuhl mitessen durfte, etwas, was Lothar seinem eigenen Sohn Ludwig nie erlauben würde. Das Maß des Erträglichen war überschritten worden, als sich der kleine Knabe bei den Tauffeierlichkeiten für Harald Klak ungestraft in den Mittelpunkt gestellt hatte. Es wurde gutmütig gelacht, als der Dreijährige zu dem gleichaltrigen Gottfried ins Tauchbecken gesprungen war und dem anderen Knaben nach dem förmlichen Untertauchen noch einmal den Kopf unter Wasser drücken wollte. Judith hatte ihren Sohn aus dem Becken gezogen und ihn mild zurechtgewiesen. Harald Klak hatte höflich bemerkt, der Sohn des Kaisers habe eben sichergehen wollen, dass auch der dänische Thronfolger ausreichend christliches Wasser geschluckt habe. Auch der dänische Thronfolger klang in Lothars Ohren, als sehe Harald Klak in Karl, dem Unwichtigen, dem Kahlen und dem Störenden, den Haupterben seines Vaters. Was Judith, die Lothar für noch viel ehrgeiziger und ruchloser als seine Mutter hielt, zweifellos anstrebte. Also wurde der älteste Sohn des Kaisers nicht müde, seine beiden jüngeren Brüder auf die Gefahren hinzuweisen, die durch die eindeutige Bevorzugung des jüngsten Kaisersprosses auf sie lauerten. In seinen Befürchtungen wurde er noch bestärkt durch die Reden seiner Gemahlin. Irmingard, die sich aus ihm unerfindlichen Gründen mit Judith zerstritten hatte und kaum noch ein Wort mit ihr wechselte, sich aber oft in den Aachener Frauengemächern aufhielt, wollte erfahren haben, dass die Kaiserin an einem heimlichen Plan arbeite, die Ordinatio imperii umzustoßen.
    Lothar war zwar von Ludwig inzwischen mit weitreichenden Befugnissen ausgestattet worden, doch er kannte den Wankelmut seines Vaters nur zu gut. Ja, er verdächtigte ihn sogar, ihm nur deswegen so viel Verantwortung übertragen zu haben, um ihn bei einem Fehler ertappen und schmählich absetzen zu können. Dass dies zumindest zu Judiths Plan gehöre, hatte ihm bereits sein Schwiegervater Hugo von Tours gesteckt, der gemeinsam mit seinem Schwager Matfried und Graf Wala alle Entscheidungen und Beschlüsse des Mitkaisers besonders gründlich auf einen möglichen derartigen Missgriff hin prüfte.
    Zorn stieg in Lothar auf. Schließlich hatte er bereits mehr zustande gebracht als sein Vater! Und seine Stellung deutlich gestärkt, als er dem fränkischen Kaiserreich in Rom endlich den längst fälligen Respekt und sich selbst wesentliche Rechte über das Patrimonium Petri verschafft hatte, etwas, wovor sein Vater wegen der ständigen Angst, Gott zu missfallen, zurückgeschreckt war. Noch war Karl viel zu klein, als dass er Lothar wirklich gefährlich werden konnte. Dennoch betrachtete der älteste Sohn des Kaisers seinen Halbbruder mit größtem Misstrauen – Kinder wuchsen schließlich sehr schnell heran unter der Obhut ehrgeiziger Mütter, zu deren Werkzeug sie wurden. Das kannte Lothar aus eigener Erfahrung. Er hätte gegen Karls Teilnahme an der Hatz überhaupt nichts einzuwenden gehabt; schließlich überschatteten traurige

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