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Die Welfenkaiserin

Titel: Die Welfenkaiserin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martina Kempff
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um die eigene Achse und schlug mit den Armen so heftig aus, als wären es Dreschflegel.
    Die Männer wichen zurück.
    »Eine Wahnsinnige!«
    »Ein Geist!«
    Jede Bezeichnung war ihr recht, wenn die Männer nur schnell verschwanden. Was sie schleunigst taten, denn weder mit Wahnsinnigen noch mit Geistern war zu spaßen.
    Judith zitterte am ganzen Körper. Wachestehen gehörte wirklich nicht zu ihren Talenten. Sie gab die Stellung auf und huschte durch den Eingang. Dabei stieß sie gegen Ruadbern, den ihr Schrei alarmiert hatte. Er schlang die Arme um sie und fragte besorgt, ob ihr etwas zugestoßen sei. Dankbar drückte sie sich an ihn und fühlte sich augenblicklich sicher.
    »Die Männer sind weg«, antwortete sie. »Sie haben die Kaiserin für eine Hure gehalten. Und die Kaiserin hat sie wie wilde Bestien verjagt. Seid ihr fertig?«
    »Fast«, sagte er, hauchte ihr einen Kuss auf den Scheitel und führte sie zu den anderen, nicht ohne das Gitter mit einem Stein gesichert zu haben. Die Gebeine der beiden Kanonheiligen waren bereits in strohgefüllte Hafersäcke gesteckt worden, aber den Männern gelang es nicht, die Steinplatten wieder so auf die Sarkophage zu schieben, wie sie gelegen hatten. Wer gründlich hinsah, würde Einhards Raub sofort entdecken.
    »Fort, fort«, mahnte Judith. Hastig ergriffen Ruadbern und Arne die Hafersäcke. Erst als sie in der Villa die Knochen in mit Samt ausgeschlagene Holzkisten umluden, ging ihnen auf, dass sie sich in der Eile nicht gemerkt hatten, welcher Sack welchen Heiligen beherbergte.
    Obwohl Einhard Judith dringend riet, sich auf der Rückreise Harald Klaks Zug wieder anzuschließen, schlich sie mit den drei Grabräubern im Morgengrauen aus der Stadt. Dem Dänenkönig hatte sie die Nachricht hinterlassen, als einfache Pilgerin in ihr Heimatland zurückkehren zu wollen.
    Nach einigen Tagesmärschen – in sicherer Entfernung von Rom – lüftete Einhard das Geheimnis um seine kostbare Fracht. In Pavia verkündete er, die Gebeine des heiligen Marcellinus und des heiligen Petrus bei sich zu führen. Wie ein Lauffeuer verbreitete sich die Nachricht, und von überall strömten Gläubige herbei, um den Heiligen das Geleit zu geben und die Kisten zu küssen. Die mit der Aufschrift Petrus erfreute sich besonderer Beliebtheit.
    »Wir haben doch nicht die Knochen des Apostels Petrus geraubt!«, empörte sich Judith über Einhards Weigerung, die Leute aufzuklären.
    »Er hieß Petrus, er war ein Heiliger, der sich in Rom befand, und er ist tot. Reicht das nicht?«, fragte der Lehrer der Hofschule spitz. Die Reise führte über Sankt Moritz bis nach Straßburg, wo eine Abordnung aus Aachen darauf wartete, Judith wieder heimzuführen.
    Sie verabschiedete sich von Einhard an jenem Schiff, auf dem Auserwählte den Rhein abwärts bis nach Mannheim mitfahren durften, und versprach dem Leiter der Hofschule ein besonderes Geschenk zur Einweihung seiner Kirche.
    Kaiser Ludwig war nicht nur überglücklich über die Heimkehr seiner Gemahlin, sondern zeigte sich auch sehr zufrieden über die gelungene Überführung der Gebeine.
    Am Abend nach Judiths Rückkehr lag er im Bett und musterte mit verklärtem, aber traurigem Blick seine Frau, die auf einer Truhe am Fußende saß und sich das Haar ausbürstete. Judith hatte sich wieder in das lange weiße Linnenhemd gehüllt, das sie seit der Zeit ihrer ersten Schwangerschaft auch im Bett nicht ablegte. Sie hatte mit dem Brauch gebrochen, unbekleidet zu schlafen, wie es die Menschen normalerweise taten. Ludwig ahnte, dass sie ihn durch die Verhüllung ihres Körpers schonen und ihm verzweifelte Anstrengungen ersparen wollte, und wusste nicht recht, ob er das begrüßte oder bedauerte. Denn allem Scheitern zum Trotz hatte die Sehnsucht nach seiner Frau nicht im Geringsten nachgelassen, auch wenn alles Beten und Büßen nicht dazu beigetragen hatte, ihm ihren Körper zugänglich zu machen. Beim Gedanken an die qualvollen Nachtstunden in den ersten Jahren seiner zweiten Ehe sollte er sich eigentlich freuen, dass Judith inzwischen alles unterließ, was seine Erregung hervorrufen könnte. Sie schläft bekleidet wie eine Nonne und ist durch mich gezwungen, wie eine Nonne zu leben, dachte er und war ihr unendlich dankbar, dass sie sich klaglos damit abfand, wie eine Schwester mit ihm zusammenzuleben.
    »Was schenken wir Einhard?«, fragte er, nachdem sie ihm von ihrem römischen Abenteuer berichtet hatte. Wobei sie allerdings aussparte, wie sie sich vor der

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