Die Welfenkaiserin
ihr und Karl Schaden zuzufügen.
Ganz schwindlig war ihr bei Ludwigs unverhohlener Andeutung ihres möglichen Ehebruchs geworden. Ein übles Gerücht, böse Zungen, weiter nichts, beruhigte sie sich. Niemand würde ihr in dieser Hinsicht etwas nachweisen können. Nicht mehr. Viel größere Sorgen bereitete ihr der Gedanke, auf welche Weise sich die abgesetzten Edlen rächen würden. Wie Zugvögel werden sie wohl alle gen Süden reisen, dachte sie, und mit Lothar unheilvolle Pläne schmieden.
Genauso war es.
Verwundert blickte König Pippin von Aquitanien von seiner Lektüre über die Lex Salica auf, als ihm die Ankunft des Grafen Hugo von Tours gemeldet wurde, der ihn in einer Angelegenheit von höchster Dringlichkeit zu sprechen wünsche. Mein Bruder hat also etwas ausgebrütet, dachte Pippin, dem zugetragen worden war, dass der Graf seit seiner schmählichen Absetzung nicht von der Seite seines Schwiegersohnes Lothar gewichen war.
»In diesen Zeiten lauert überall Verrat«, flüsterte Irmingards Vater, nachdem er Pippin gebeten hatte, alle Berater aus dem Raum zu schicken. Dann fragte er Pippin, ob er bereits ein Heer für den geplanten Bretonenfeldzug seines Vaters aufgeboten habe.
Der König erklärte, sich damit Zeit lassen zu können, da sein Vater wohl kaum plane, vor dem Osterfest in die Bretagne einzufallen.
»Natürlich, man hat dich also nicht benachrichtigt«, bemerkte der Graf vielsagend. »Nun wisse, der Kaiser hat bereits zum Heiligen Gründonnerstag die Heerversammlung nach Rennes ausgeschrieben. In der Fastenzeit – welche Gottlosigkeit! Aber noch verfluchter ist der eigentliche Plan …«
Er machte eine Pause, legte sein Gesicht in Falten der Betrübnis und schien kurz davor zu stehen, in Tränen auszubrechen.
»Welcher Plan?«, fragte Pippin kurz angebunden. Er mochte diesen Berater seines Bruders nicht, traute dem verschlagenen Ränkeschmied nicht über den Weg. Auch konnte er ihm nicht vergeben, dass er ihn mit seinen Aquitaniern auf den Weg nach Barcelona vergeblich hatte warten lassen.
Obwohl sich außer den beiden niemand im Raum befand, sah sich der Graf um, beugte sich so nahe zu Pippin hin, dass ihn sein Atem streifte, und flüsterte: »Es geht gar nicht in die Bretagne, Pippin. Das ist nur ein Vorwand. Der Feldzug gilt dir! Du sollst deines Landes, verlustig gehen, damit dein Halbbruder Karl dort König werden kann! Und das ist erst der Anfang! Oh, welch ein unglückliches Land, wo der Vater durch Liebestränke und andere Zaubereien betört ist und deshalb den eigenen Söhnen in den Rücken fällt!«
Pippin sprang auf.
»Törichtes Gerede!«, rief er laut, stellte sich mit dem Rücken zu Graf Hugo ans Fenster und erwog das soeben Gehörte. Die Beziehung zu seinem Vater hatte sich drastisch verschlechtert, als er mit seinen beiden Brüdern gegen die neue Reichsteilung aufbegehrt hatte. Sehr ärgerlich, dass der Späher, den er an den Aachener Hof eingeschleust hatte, entdeckt und von Ludwig nach Straßburg in Haft gegeben worden war! Und es war schon seltsam, dass ihn der Vater dafür noch nicht zur Rede gestellt hatte. Aber würde er eine solche Tat gleich durch einen Krieg gegen den eigenen Sohn ahnden? Das Ganze roch eher nach einer Intrige seines ältesten Bruders.
»Was hat Lothar vor?«, fragte Pippin misstrauisch.
»Frag lieber, was deine Stiefmutter Judith vorhat«, versetzte Graf Hugo, etwas ungehalten, dass Pippin nicht sogleich auf die Liebestränke und Zaubereien eingegangen war. »Und für ihr verderbliches Vorgehen haben wir untrügliche Beweise.«
»Nun?«
»Du weißt, dass Judith nicht nur schön, sondern auch ungewöhnlich ehrgeizig, glattzüngig und abgefeimt ist. Aber lass uns gerecht bleiben: Wie muss es einer solchen Frau zumute sein, mit einem so schwachen Menschen wie deinem Vater zu leben! Doch das ist nun mal ihr gottgegebenes Schicksal. Sie hätte sich damit abfinden müssen. Was sie nicht tut.«
»Wer ist ihr Liebhaber?«, fragte Pippin.
»Da kommst du der Sache schon näher. Sie hat Bernhard von Barcelona, den Grafen von Septimanien, zu ihrem Buhlen erkoren. Um bequemer Unzucht mit ihm treiben zu können, hat sie ihm das Amt des Kämmerers zugeschoben. Gleich, als er ankam, verwüstete er wie ein wilder Eber den Palast, vernichtete die Ratsversammlung, vertrieb alle menschlichen und himmlischen Ratgeber, besetzte das Ehebett und machte den Palast zum Freudenhaus. Dort herrscht jetzt die Ehebrecherin! Und der Ehebrecher regiert! Ruchlose
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