Die Welle
schlafen solltest.«
Am nächsten Morgen kamen die Schüler so langsam und träge wie immer zum Unterricht. Manche setzten sich, andere standen herum und redeten miteinander. Robert Billings stand am Fenster und verknotete die Zugschnüre der Gardinen. Während er damit beschäftigt war, ging sein ständiger Quäler Brad an ihm vorbei und schlug ihm auf den Rücken, wobei er unauffällig einen Zettel mit der Aufschrift »Tritt mich!« an Roberts Hemd befestigte.
Es schien eine ganz normale Geschichtsstunde zu werden, bis die Schüler bemerkten, dass ihr Lehrer in großen Buchstaben an die Tafel geschrieben hatte:
»Was soll denn das bedeuten?«, fragte einer. »Das werde ich euch erklären, sobald ihr alle sitzt«, antwortete Ben Ross, und als alle Schüler an ihren Plätzen saßen, begann er: »Ich werde heute mit euch über Disziplin sprechen.«
Man vernahm allgemeines Stöhnen. Es gab manche Lehrer, bei denen man vorher schon wusste, dass ihr Unterricht langweilig sein würde, aber die meisten Schüler erwarteten von Ben Ross’ Geschichtsstunden alles andere als langweilige Vorträge über Disziplin und solchen Kram.
»Wartet ab!«, riet Ben. »Ehe ihr urteilt, solltet ihr erst einmal zuhören. Es könnte ganz spannend werden.«
»Ja, bestimmt«, sagte einer.
»Ja, ganz bestimmt sogar«, erwiderte Ben. »Wenn ich überDisziplin rede, dann rede ich auch von der Macht«, sagte er. »Und ich rede vom Erfolg. Erfolg durch Disziplin. Ist hier irgendjemand, der sich nicht für Macht und Erfolg interessiert?«
»Robert wahrscheinlich«, meinte Brad, und einige kicherten.
»Warten wir’s ab«, entgegnete Ben. »David, Brian, Eric, ihr spielt Football. Also wisst ihr auch, dass Disziplin notwendig ist, wenn man gewinnen will.«
»Wahrscheinlich haben wir deshalb seit zwei Jahren kein Spiel mehr gewonnen«, sagte Eric, und die Klasse lachte. Der Lehrer brauchte einige Augenblicke, um alle wieder zu beruhigen. »Hört zu!«, sagte er und deutete auf eine besonders hübsche, rothaarige Schülerin, die aufrechter als die anderen auf ihrem Stuhl zu sitzen schien. »Andrea, du bist Balletttänzerin. Müssen Tänzer nicht viele, viele Stunden lang hart arbeiten, um ihre Fähigkeiten zu entwickeln?« Sie nickte, und Ross wandte sich an die übrige Klasse. » Genauso ist es mit allen Künsten. Das Malen, das Schreiben, die Musik – alles verlangt jahrelanges Üben, wenn man es wirklich beherrschen will. Harte Arbeit, Disziplin und Kontrolle.«
»Ja, und?«, fragte ein Schüler, der mehr auf seinem Stuhl lag als saß.
»Ich werde es euch zeigen. Nehmen wir einmal an, ich könnte euch beweisen, dass wir durch Disziplin Macht gewinnen können. Nehmen wir an, wir könnten das gleich hier im Klassenzimmer tun. Was würdet ihr dazu sagen?« Ross hatte als Reaktion darauf irgendeinen Witz erwartet,und er war überrascht, als der ausblieb. Das Interesse und die Neugier der Schüler schienen geweckt zu sein. Ben ging an seinen Platz und stellte seinen Stuhl so, dass alle ihn sehen konnten.
»Also gut«, sagte er. »Disziplin beginnt mit der Haltung. Amy, komm bitte einmal her!«
Als Amy aufstand, murmelte Brian: »Die Vorzugsschülerin! « Üblicherweise hätte die Klasse darüber gelacht, aber jetzt grinsten nur ein paar, die anderen achteten nicht darauf. Alle fragten sich, was ihr Lehrer vorhaben mochte. Als Amy sich vor den anderen auf den Stuhl gesetzt hatte, erklärte er ihr, wie sie sitzen solle. »Kreuze die Hände auf dem Rücken und sitze absolut aufrecht. Merkst du, dass du jetzt leichter atmen kannst?«
Mehrere Schüler ahmten Amys Haltung nach. Aber wenn sie jetzt auch sehr aufrecht saßen, konnten manche das doch nur komisch finden. David versuchte einen Scherz: »Ist das hier Geschichtsunterricht, oder bin ich versehentlich in die Sportstunde geraten?«, fragte er. Einige lachten, versuchten aber zugleich, ihre Haltung zu verbessern.
»Versuch es, David«, sagte Ben. »Kluge Bemerkungen haben wir jetzt genug gehört.«
Mürrisch richtete David sich auf seinem Stuhl auf. Inzwischen ging der Lehrer von einem Platz zum anderen und überprüfte die Haltung jedes einzelnen Schülers. Es ist erstaunlich, dachte Ross. Irgendwie hatte er sie eingefangen ... sogar Robert ...
»Klasse!«, sagte er. » Ich möchte, dass ihr euch alle anseht, wie Robert sitzt. Die Beine sind parallel, die Füße berühreneinander, die Knie sind in einem Winkel von neunzig Grad gebeugt. Seht ihr, wie senkrecht seine Wirbelsäule
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