Die Welle
doch sicher zufrieden sein? Er war sich nicht ganz sicher. Die Hausarbeiten der Klasse waren besser geworden, doch man schrieb nicht mehr ausführlich, sondern gab nur noch sehr knappe Antworten. In einem Test, bei dem es nur darauf ankam, richtige Antworten anzukreuzen, würden die Schüler jetzt sicher sehr gut abschneiden, aber Ben hatte dann seine Zweifel, wenn es darum ging, in einem Aufsatz das Für und Wider einer Sache abzuwägen. Zu den interessanten Auswirkungen des Experiments rechnete Ben auch, dass David Collins und seine Freunde Eric und Brian die Regeln der Welle erfolgreich auf die Footballmannschaft übertragen hatten. Im Laufe der letzten Jahre war der Biologielehrer Norm Schiller, der auch das Footballtraining leitete, der vielen Witze über seine Mannschaft so müde geworden, dass er während der Saison monatelang kaum noch mit einem anderen Lehrer sprach. Aber eines Morgens hatte er sich tatsächlich bei Ben Ross dafür bedankt, dass er seinen Schülern die Prinzipien der Welle vermittelt habe!
Ben hatte intensiv nachgedacht, was seine Schüler an der Welle so sehr faszinierte.
Wenn er fragte, bekam er meist zur Antwort, die Welle sei einfach etwas Neues und Anderes und schon deswegen verlockend. Andere behaupteten, ihnen gefiele das Demokratische an dieser »Idee«: die Tatsache, dass sie jetzt alle gleich seien. Über diese Antwort freute sich Ross. Es war gut, dass es gelungen war, den ständigen Popularitätswettbewerb und die Cliquenwirtschaft zu überwinden, auf die seine Schüler viel zu viel Zeit und Energie verschwendet hatten. Einige Schüler meinten sogar, eine straffere Disziplin sei gut für sie. Das hatte Ben überrascht. In den letzten Jahren war Disziplin zu einem immer schwierigeren Problem geworden. Übten die Schüler sie nicht von selbst, neigten die Lehrer immer weniger dazu, sich dafür verantwortlich zu fühlen. Vielleicht war das ein Fehler. Möglicherweise konnte bei seinem Versuch eine Stärkung der Schuldisziplin herauskommen. Insgeheim träumte er sogar von Zeitungsartikeln mit der Überschrift: Disziplin hält wieder Einzug in die Klassen! Lehrer macht eine verblüffende Entdeckung!
Laurie Saunders saß an einem Schreibtisch im Redaktionsbüro der Schülerzeitung und kaute an ihrem Kugelschreiber. Mehrere Redaktionsmitglieder saßen rundum, kauten an ihren Fingernägeln oder auf ihrem Kaugummi. Alex Cooper wippte mit Armen und Beinen zum Takt der Musik aus seinen Kopfhörern. Eine Reporterintrug Rollschuhe. Es spielte sich das ab, was man die wöchentliche Redaktionssitzung nannte.
»Also gut«, sagte Laurie. »Wir haben dasselbe Problem wie immer. Die Zeitung soll nächste Woche erscheinen, aber wir haben nicht genug Beiträge.«
Laurie schaute auf das Mädchen mit den Rollschuhen. »Jeanie, du solltest etwas über neue Schülermoden schreiben! Hast du?«
»Ach, in diesem Jahr trägt doch niemand irgendetwas Interessantes«, antwortete Jeanie. »Es ist immer dasselbe: Laufschuhe, Jeans, T-Shirts.«
»Gut, dann schreib doch darüber, dass es in diesem Jahr keine neue Mode gibt«, entschied Laurie und wandte sich dann an den Musikhörer. »Und du, Alex?«
Alex konnte nicht hören.
»Alex!«, wiederholte Laurie lauter.
Endlich stieß ihn ein Nachbar an, und er blickte erschrocken auf und zog die Stöpsel aus den Ohren. »Ja, bitte?«
Laurie verdrehte die Augen. »Alex, das hier ist so etwas wie eine Redaktionssitzung!«
»Ach, wirklich?«
»Also, gut! Wo ist dein Schallplattenreport?«
»Ach so, ja, die Schallplatten, hm«, antwortete Alex. »Weißt du, das ist eine komplizierte Geschichte. Also, ich wollte gerade damit anfangen, aber du erinnerst dich doch, dass ich dir gesagt habe, ich müsste dringend nach Argentinien.«
Laurie verdrehte wieder die Augen.
»Also, die Reise ist ausgefallen«, fuhr Alex grinsend fort. »Dafür musste ich nach Hongkong.«
Laurie wandte sich an seinen Nachbarn. »Und du bist wahrscheinlich mitgefahren«, sagte sie spöttisch.
Carl schüttelte den Kopf. »Nein, nein«, antwortete er ernsthaft. »Ich bin wie vorgesehen nach Argentinien gereist.« »Ja, ich verstehe.« Sie umfasste mit einem Blick den Rest des Redaktionsteams. »Und ich vermute, ihr anderen musstet euch auch alle irgendwo auf dem Globus herumtreiben, und keiner hat etwas geschrieben.«
» Ich bin ins Kino gegangen«, antwortete Jeanie. »Und? Hast du darüber geschrieben?«
»Nein. Es war zu gut«, antwortete Jeanie. »Zu gut?«
»Es macht keinen
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