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Die Welle

Titel: Die Welle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morton Rhue
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anonymen Briefschreiber stehen und ein Bericht von Carl über den zusammengeschlagenen Mitschüler.
    Es hatte sich herausgestellt, dass der Junge nicht ernsthaft verletzt war, dass ihn eben »nur« ein paar Größere zusammengeschlagen hatten. Es gab auch Zweifel daran, ob dieser Vorfall wirklich von der Welle ausgegangen war oder obandere die Welle zum Vorwand genommen hatten, um einen Streit vom Zaun zu brechen. Immerhin hatte einer der Schläger den Jungen einen »dreckigen Juden« genannt. Die Eltern des Jungen hatten Carl erzählt, sie würden ihren Sohn nicht zur Schule gehen lassen, sondern am Montagmorgen erst einmal Direktor Owens einen Besuch abstatten.
    Es gab auch andere Interviews mit besorgten Eltern und skeptischen Lehrern. Am kritischsten aber war der Leitartikel, auf den Laurie den größten Teil ihres Samstags verwendet hatte. Sie verurteilte darin die Welle als eine gefährliche und sinnlose Bewegung, die jede Freiheit der Meinung und des Denkens unterdrücke und die sich gegen alle Werte richte, auf die sich das Land gründe. Sie machte darauf aufmerksam, dass die Welle bereits angefangen hatte, mehr Schaden als Gutes zu tun (auch mit der Welle hatten die Spieler der Gordon High School gegen Clarkstown 42:6 verloren), und warnte, dass mehr Unheil geschehen würde, wenn man nichts gegen die Welle unternahm.
    Carl und Alex erklärten sich bereit, das Manuskript gleich morgen früh zum Drucker zu bringen. Bis zur Mittagspause würde die Schülerzeitung dann verteilt werden können.

Eines musste Laurie noch tun, bevor die Zeitung herauskam. Am Montagmorgen musste sie Amy finden und ihr die ganze Geschichte erklären. Sie hoffte noch immer, dass Amy ihre Meinung über die Welle ändern würde, sobald sie den Artikel las. Laurie wollte sie gern warnen, damit sie sich noch von der Welle trennen konnte, ehe es vielleicht Ärger gab.
    Sie fand Amy in der Schulbibliothek und gab ihr einen Durchschlag des Leitartikels zu lesen. Während Amy las, öffnete sich ihr Mund immer weiter und weiter. Endlich hob sie den Kopf und sah Laurie fassungslos an. »Und was hast du damit vor?«
    »Das veröffentliche ich in der Schülerzeitung«, erklärte Laurie.
    »Aber so etwas kannst du doch nicht einfach über die Welle sagen«, meinte Amy.
    »Und warum nicht? Es ist doch alles wahr! Alle scheinen von der Welle förmlich besessen zu sein. Niemand denkt mehr selbstständig.«
    »Ach, hör doch auf, Laurie«, sagte Amy. »Du bist nur aufgeregt. Das kommt alles von deinem Streit mit David.« Laurie schüttelte den Kopf. »Ich meine es ernst, Amy. Die Welle verletzt Menschen. Und alle laufen ihr nach wie eine Herde Schafe. Ich kann nicht glauben, dass du immer noch dazu gehören willst, nachdem du das gelesen hast. Siehst du denn nicht selbst, was die Welle ist? Sie bedeutet, dass jeder vergisst, wer er eigentlich ist. Die sind doch alle nur noch Maschinen. Warum willst du unbedingt dazugehören?«
    »Weil die Welle bedeutet, dass niemand mehr besser ist als andere«, sagte Amy. »Weil ich seit dem Anfang unserer Freundschaft immer nur versucht habe, mit dir in Wettbewerb zu treten und mit dir Schritt zu halten. Aber jetzt habe ich nicht mehr das Gefühl, dass ich unbedingt einen Freund aus dem Footballteam haben muss genau wie du. Und wenn ich nicht will, dann brauche ich auch nicht dieselben Noten zu haben wie du, Laurie. Zum ersten Mal seit drei Jahren habe ich das Gefühl, dass ich nicht mit Laurie Saunders im Wettbewerb stehe und dass die Menschen mich trotzdem mögen.«
    Laurie spürte eine Gänsehaut. »Ich ... ich habe es immer gewusst, dass du es so empfindest«, stammelte sie, »und ich wollte schon immer mit dir darüber reden.«
    »Weißt du denn nicht, dass die Hälfte aller Eltern der Kinder in unserer Schule ihren Söhnen und Töchtern sagen: ›Warum kannst du nicht sein wie Laurie Saunders?‹«, sagte Amy. »Ach, Laurie, du bist doch nur gegen die Welle, weil du jetzt nicht mehr die Prinzessin unter uns bist.«
    Laurie war betroffen. Selbst ihre beste Freundin, ein so kluges Mädchen wie Amy, wandte sich wegen der Welle gegen sie. Allmählich wuchs ihr Zorn. »Ich werde es jedenfalls veröffentlichen!«, erklärte sie.
    Amy blickte zu ihr auf und sagte: »Tu’s nicht, Laurie ! « Aber Laurie schüttelte den Kopf. »Es ist schon in Druck«, sagte sie, »und ich weiß, was ich zu tun habe.«
    Plötzlich war es, als wären sie Fremde. Amy blickte auf ihre Uhr. »Ich muss gehen«, sagte sie und ließ Laurie

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