Die Welle
es längst satthaben, immer nur dich die richtigen Antworten geben zu hören. Immer warst du die Beste. Was ist das denn für ein Gefühl, wenn man es plötzlich nicht mehr ist?«
» Du bist wirklich dumm!«, schrie Laurie ihn an.
David nickte. »Also gut, wenn ich so dumm bin, warum suchst du dir dann nicht einen schlaueren Freund?« Er wandte sich ab und ging auf die Turnhalle zu.
Laurie sah ihm nach. Verrückt!, dachte sie. Alles gerät aus den Fugen.
Nach allem, was Laurie hören konnte, musste die Versammlung ein Riesenerfolg sein. Sie verbrachte die Zeit im Redaktionsbüro. Das war der einzige Ort, der sie davor bewahrte, pausenlos von Schülern gefragt zu werden, warum sie nicht bei der Versammlung sei. Laurie wollte nicht zugeben, dass sie sich versteckte, doch es war so. So irrsinnig war diese ganze Angelegenheit inzwischen geworden. Man musste sich verstecken, wenn man nicht dazugehörte!
Laurie nahm einen Kugelschreiber und kaute nervös daran. Sie musste etwas tun. Die Schülerzeitung musste etwas tun. Einige Minuten später wurde sie aus ihren Gedanken gerissen, als jemand den Türknauf drehte. Laurie erschrak. War da jemand gekommen, um sie zu holen?
Die Tür öffnete sich, und Alex kam im Takt der Musik, die aus seinen Kopfhörern strömte, hereingetänzelt.
Laurie ließ sich in ihren Stuhl zurücksinken und atmete erleichtert auf.
Als Alex Laurie sah, lächelte er und nahm die Kopfhörer ab. »He, wie kommt es denn, dass du nicht bei der Truppe bist?«
Laurie schüttelte den Kopf. »So schlimm ist es ja nun noch nicht, Alex.«
Aber der grinste.
»Meinst du? Wenn das so weitergeht, dann wird unsere Schule bald eine Art Kaserne sein.«
»Ich finde das gar nicht spaßig«, antwortete Laurie.
Alex hob die Schultern und verzog das Gesicht. » Laurie, du musst endlich einmal begreifen, dass man gegen das Lächerliche einfach nichts tun kann.«
»Gut, aber du meinst, dass die anderen so etwas wie Soldaten sind. Hast du dann keine Angst, dass du auch eingezogen wirst?«, fragte Laurie.
Alex grinste. »Ich?« Dann fuhr er mit Furcht erregenden Karateschlägen durch die Luft. »Einer von denen soll mir nur kommen, dann nehme ich ihn auseinander wie Kung-Fu!«
Wieder öffnete sich die Tür, und diesmal kam Carl. Als er Laurie und Alex sah, lächelte er. »Das sieht ja fast so aus, als wäre ich hier in Anne Franks Dachkammer geraten«, sagte er.
»Die Letzten der verkommenen Individuen«, antwortete Alex.
Carl nickte. »Das glaube ich auch. Ich komme gerade von der Versammlung.«
»Und sie haben dich tatsächlich rausgelassen?«, fragte Alex.
»Ich musste zur Toilette«, antwortete Carl.
»He, Mann«, sagte Alex. »Dann bist du hier aber ziemlich falsch.«
Carl grinste. »Von der Toilette aus bin ich hergekommen. Jeder Ort ist mir recht, wenn ich nur nicht wieder in diese Versammlung muss.«
»Dann tritt in unseren Club ein«, meinte Laurie. »Vielleicht sollten wir uns einen Namen geben«, schlug Alex vor. »Da es die Welle schon gibt, können wir vielleicht das Gekräusel sein.«
»Was hältst du davon?«, fragte Carl.
»Von dem Namen Gekräusel ?«
»Nein, von der Welle.«
»Ich meine, es wird höchste Zeit, dass wir die nächste Nummer unserer Schülerzeitung herausbringen.« »Entschuldige, wenn ich meine nicht immer sehr ernsthafte Meinung einbringe«, sagte Alex, »aber wir sollten uns damit sehr beeilen, bevor sich auch noch die übrigen Redakteure von dieser Welle fortschwemmen lassen.«
»Dann sagt den anderen doch bitte Bescheid«, sagte Laurie. »Am Sonntag um zwei Uhr haben wir eine Sondersitzung bei mir zu Hause. Und sorgt nach Möglichkeit dafür, dass nur solche daran teilnehmen, die noch nicht zur Welle gehören.«
An diesem Abend war Laurie allein in ihrem Zimmer. Den ganzen Nachmittag war sie in Gedanken zu sehr mit der Welle beschäftigt gewesen, um an David zu denken. Außerdem hatten sie sich auch früher schon gestritten. Aber schon Anfang der Woche hatte David sich mit ihr für diesen Abend verabredet, und jetzt war es bereits halb elf. Es war offensichtlich, dass er nicht kommen würde. Laurie konnte es noch immer nicht recht glauben: Sie gingen jetzt schonseit dem ersten High-School-Jahr miteinander, und jetzt sollte eine solche Kinderei wie die Welle sie trennen. –
Mehrmals im Laufe des Abends war Mrs Saunders gekommen, um zu fragen, ob sie darüber reden wolle, doch Laurie hatte abgelehnt. Ihre Mutter machte sich immer gleich so viele Sorgen, und
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