Die Welle
keine Wunderdroge. Die Mannschaft wusste von der Welle erst seit fünf Tagen vor dem Spiel. Geändert hatte sich einfach der Geist, das mannschaftliche Verhalten.
David stand mit Robert Billings und ein paar anderen Schülern aus dem Geschichtskurs von Mr Ross auf dem Pausenhof und betrachtete die Schülerzeitung. Lauries Leitartikel machte ihn ein wenig beklommen. Er hatte bisher nichts davon gehört, dass irgendjemand andere bedroht oder gar verletzt hatte. Er war überzeugt, dass sie und ihre Redaktionskollegen das alles nur erfunden hatten. Zugegeben, er war unglücklich, weil sie sich weigerte, zur Welle zu gehören. Aber warum konnten sie und ihresgleichen die Welle nicht einfach in Ruhe lassen? Warum mussten sie so aggressiv sein? Robert, der neben ihm stand, war über den Leitartikel ernstlich erbost. »Das sind doch alles Lügen!«, sagte er wütend. »So etwas darf sie einfach nicht schreiben!«
»So wichtig ist das nicht«, meinte David. »Niemand kümmert sich darum, was Laurie sagt oder schreibt.«
»Soll das ein Witz sein?«, fragte Robert. »Jeder, der das liest, kriegt eine völlig falsche Vorstellung von der Welle.« »Ich habe ihr gesagt, dass sie das nicht veröffentlichen soll«, sagte Amy.
»Immer mit der Ruhe«, wandte David ein. »Es gibt schließlich kein Gesetz, das allen Leuten befiehlt, an das zu glauben, was wir für richtig halten. Aber wenn wir dafür sorgen, dass die Welle wirklich funktioniert, dann werden siees sehen, und sie werden auch erkennen, was dabei alles Gutes herauskommen kann.«
»Aber wenn wir nicht aufpassen«, erwiderte Eric, »dann werden diese Leute uns alles verderben. Habt ihr denn nicht die Gerüchte gehört, die umlaufen? Ich habe gehört, dass Eltern und Lehrer und alle möglichen Leute beim Direktor waren und sich beschwert haben. Könnt ihr euch das vorstellen? Unter diesen Umständen wird kaum noch einer die Chance haben, sich davon zu überzeugen, was die Welle wirklich leisten kann.«
»Laurie Saunders ist eine Bedrohung«, erklärte Robert. »Man muss sie an ihren Plänen hindern.«
David mochte den Tonfall nicht. »He, Moment mal«, begann er einen Widerspruch, doch Brian unterbrach ihn. »Keine Angst, Robert, David und ich kümmern uns um Laurie. Einverstanden, David?«
»Ach, weißt du ...« David spürte, dass Brians Hand auf seiner Schulter ihn von den anderen fortdrängte. Robert nickte zustimmend.
» Hör zu, Mann!«, flüsterte Brian. »Wenn überhaupt jemand Laurie dazu bringen kann, mit ihren Angriffen aufzuhören, dann bist du das.«
»Ja, aber Roberts Haltung gefällt mir nicht«, flüsterte David zurück. »Das klingt ja beinahe so, als müssten wir alle auslöschen, die gegen uns sind. Dabei sollten wir genau von der anderen Seite an die Sache herangehen.«»Hör zu, David. Robert lässt sich manchmal zu sehr von seiner Begeisterung mitreißen. Aber du musst doch zugeben, dass er in der Sache gar nicht so Unrecht hat. WennLaurie weiter solchen Unsinn schreibt, dann hat die Welle keine Chance mehr. Sag ihr einfach, sie soll es bleiben lassen. Auf dich wird sie hören!«
»Ich weiß nicht, Brian.«
»Hör zu, wir warten nach der Schule auf sie, und dann redest du mit ihr. Okay?«
David nickte widerstrebend. »Na gut, meinetwegen.«
An diesem Nachmittag hatte Christy Ross es eilig, nach der Chorprobe nach Hause zu kommen. Ben war irgendwann im Laufe des Tages aus der Schule verschwunden, und sie hatte das Gefühl, sie wüsste den Grund dafür. Als sie heimkam, fand sie ihren Mann mit einem Buch über die Hitler-Jugend beschäftigt. »Was ist dir denn heute passiert?«, fragte sie.
Ohne von seinem Buch aufzublicken, antwortete Ben gereizt: »Ich bin früher gegangen, weil ich mich nicht wohl gefühlt habe. Aber jetzt brauche ich Ruhe, Chris. Ich muss mich für morgen vorbereiten.«
»Aber ich muss mit dir reden«, widersprach Christy. »Kann das nicht warten?«, fuhr Ben sie an. » Ich habe bis morgen noch viel zu tun.«
»Nein«, beharrte Christy. »Darüber muss ich ja gerade mit dir reden. Über diese Welle. Hast du denn gar keine Vorstellung, was sich in der Schule abspielt? Abgesehen davon, dass die Hälfte meiner Schüler den Unterricht geschwänzt hat, um in deiner Stunde zu sein, ist dir offenbar nicht klar, dass deine ureigenste Erfindung – diese Welle – die ganze Schule entzweit, mindestens drei Lehrer haben mich heute angesprochen und gefragt, was du eigentlich vorhättest. Und sie beschweren sich auch beim
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