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Die Welle

Titel: Die Welle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Morton Rhue
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das Problem war, dass es diesmal wirklich einen Grund zur Besorgnis gab. Laurie hatte an ihrem Schreibtisch gesessen und versucht, einen Artikel über die Welle für die Schülerzeitung zu schreiben, aber bisher war das Blatt Papier – abgesehen von ein paar Tränenflecken – immer noch leer.
    Jemand klopfte an die Tür, und Laurie fuhr sich schnell mit dem Handrücken über die Augen. Das war unsinnig. Wenn ihre Mutter jetzt hereinkam, sah sie ohnehin, dass Lauriegeweint hatte. »Ich möchte jetzt nicht reden, Mom!«, sagte sie.
    Aber die Tür öffnete sich trotzdem. »Es ist nicht deine Mutter.«
    »Dad?« Laurie war überrascht, ihren Vater zu sehen. Nicht etwa, dass sie sich ihm nicht nahe fühlte, aber anders als ihre Mutter mischte er sich für gewöhnlich nicht in ihre Probleme ein, falls die nicht irgendetwas mit Golf zu tun hatten.
    »Darf ich hereinkommen?«, fragte der Vater.
    »Ja, sicher, Dad! « Laurie lächelte ein wenig. »Vor allem angesichts der Tatsache, dass du schon drinnen bist.«
    Mr Saunders nickte. »Du weißt, ich mische mich ungern ein, Kleines, aber deine Mutter und ich machen uns wirklich Sorgen.«
    »Hat sie dir gesagt, dass David mit mir Schluss gemacht hat?«, fragte Laurie.
    »Ja, das hat sie auch«, bestätigte der Vater, »und es tut mir Leid. Wirklich. Ich habe ihn immer für einen netten Jungen gehalten.«
    »Das war er auch«, sagte Laurie. Bis die Welle kam, setzte sie in Gedanken hinzu.
    »Aber ich mache mir aus einem anderen Grund Sorgen, Laurie. Ich habe da heute Abend auf dem Golfplatz etwas gehört ... « Mr Saunders beendete seine Arbeit am Freitag immer schon etwas früher, um vor Sonnenuntergang noch ein paar Löcher zu spielen.
    »Was denn?«
    »Heute nach der Schule wurde ein Junge zusammengeschlagen«,erzählte ihr Vater. »Nun habe ich diese Geschichte ja aus zweiter Hand, also weiß ich nicht, ob alles genau stimmt, aber anscheinend hat es in der Schule so etwas wie eine Versammlung gegeben, und ein Junge hatte sich geweigert, dieser Welle beizutreten, und obendrein hatte er noch irgendeine kritische Bemerkung gemacht.«
    Laurie war sprachlos.
    »Die Eltern des Jungen sind Nachbarn von einem meiner Golfpartner. Sie sind erst dieses Jahr zugezogen. Der Junge muss also neu in der Schule sein.«
    »Dann wäre er doch der ideale Kandidat für die Mitgliedschaft in der Welle«, sagte Laurie.
    »Vielleicht«, sagte Mr Saunders. »Aber dieser Junge ist ein Jude, Laurie. Ob es vielleicht damit etwas zu tun hat?« Laurie schluckte. »Du meinst doch nicht ... Dad, du kannst doch nicht meinen, dass so etwas bei uns anfängt? Ich meine, ich mag die Welle nicht, aber so ist sie nun wirklich nicht!«
    »Bist du ganz sicher?«, fragte ihr Vater.
    »Nun ja, ich weiß, wer ursprünglich zur Welle gehörte. Ich war dabei, als alles angefangen hat. Die Grundidee war doch, uns zu zeigen, wie so etwas wie Nazi-Deutschland überhaupt entstehen konnte. Es war doch nicht das Ziel der Sache, uns selber zu kleinen Nazis zu machen. Das ist ...« »Dieser Versuch scheint außer Kontrolle geraten zu sein, Laurie«, sagte ihr Vater. »Könnte das sein?«
    Laurie nickte. Sie war zu betroffen, um etwas zu sagen. »Einige der Golfpartner haben davon geredet, am Montag zur Schule zu gehen und mit dem Direktor zu sprechen«,berichtete Mr Saunders. »Einfach um sicherzugehen, verstehst du?«
    Laurie nickte. »Wir geben eine Sondernummer der Schülerzeitschrift heraus, und da werden wir diesen ganzen Fall darstellen.«
    Ihr Vater schwieg ein paar Augenblicke, dann sagte er: »Das ist ein guter Gedanke, Kleines. Aber sei vorsichtig, ja?«
    »Ich werde vorsichtig sein«, versicherte sie.



In den letzten drei Jahren war es für Amy zur Gewohnheit geworden, samstags nachmittags bei den Footballspielen zu sein. David gehörte zum Team, und obwohl Amy keinen festen Freund hatte, waren die Jungen, mit denen sie sich gelegentlich verabredete, meistens Footballspieler.
    Am Samstagnachmittag konnte Laurie es gar nicht abwarten, Amy zu sehen. Sie musste ihr berichten, was sie von ihrem Vater erfahren hatte. Es hatte Laurie überrascht, dass Amy bis jetzt immer noch zur Welle hielt. Nun war sie ganz sicher, dass Amy schnell zur Vernunft kommen würde, sobald sie erst von dem zusammengeschlagenen Jungen hörte. Außerdem musste Laurie unbedingt mit ihr über David sprechen. Sie konnte noch immer nicht begreifen, wie so etwas »Lächerliches« wie die Welle David dazu gebracht hatte, mit ihr Schluss zu machen.

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