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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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wie Teig in eine Form pressen. Hinter dem Rücken ballte er eine Hand zur Faust. »Das mag ja ein großartiges Angebot sein. Ehrlich. Aber ich hab da zwei, drei andere Sachen, die ich noch erledigen muss. Außerdem war ich schon immer eine Niete in der Kombüse. Was ich koche, ist nicht essbar. Und… na ja, und deshalb würde ich jetzt gerne gehen.«
    »Und wohin? Da draußen ist nichts als die endlose See. Willst du vielleicht zur nächsten Insel schwimmen?«
    »Wie weit entfernt ist die nächste Insel?«
    »Zu weit, so viel steht fest.«
    Die Umgebung schien sich vor Griffins Augen zu schälen wie eine Banane. Unter dem, was ihm eben noch fantastisch, sonderbar und ein wenig verrückt erschienen war, wurde jetzt die Wirklichkeit sichtbar wie eine faulige Frucht. Die Szenerie blieb dieselbe, ebenso Ebenezers fröhliches Lachen, sogar das heimelige Zimmer im Schein des Kaminfeuers - und doch war jetzt alles ganz anders.
    Ebenezer war irre. Und er hatte offenbar die Absicht, Griffin seinem Wahnsinn einzuverleiben, ob dieser wollte oder nicht.
    »Sie werden mich hier gefangen halten?«, fragte Griffin.
    »Siehst du vielleicht Gitter? Oder Schlösser? Nichts dergleichen, mein Junge. Ich bitte dich nur um deine Hilfe. Ich werde dich sogar bezahlen. Glaub mir, ich habe Gold hier unten. Wir werden natürlich noch mehr davon verdienen, wenn sich unser Ruf erst herumgesprochen hat. Ein Zwanzigstel von allem für dich. Ist das ein Angebot?«
    Bleib jetzt ganz ruhig, sagte sich Griffin. Gib ihm keinen Anlass, dir zu misstrauen. Dann wird sich die Möglichkeit zur Flucht von ganz alleine bieten.
    »Wann wollen Sie die Schänke denn eröffnen?« Griffin fiel es schwer, so ernsthaft über eine Sache zu sprechen, die das Irrwitzigste war, das er jemals gehört hatte. Gegen eine Taverne im Magen eines Wals verblassten sogar die Wunder Aeleniums zu einem mickrigen Korallenhaufen.
    »Nun, wir haben noch eine Menge Arbeit vor uns. Bist du ein guter Zimmermann?«
    »Ich hab oft bei Reparaturen an Bord ausgeholfen.«
    »Hervorragend! Du kannst Stühle bauen. Und Tische. Holz gibt es da draußen genug, und Nägel findest du in den Trümmerteilen. Was denkst du? Fünfzig Plätze? Wird das fürs Erste reichen?« »Ich soll fünfzig Stühle zusammenzimmern?«
    »Zu wenig?« Ebenezer tänzelte aufgeregt umher und schwelgte schon in den Bildern einer übervollen Wirtsstube. »Eher achtzig? Oder hundert?«
    »Fünfzig dürften reichen.«
    »Wir wollen nicht übertreiben, was? Dann eben fünfzig.« Ebenezer eilte hinter die Theke und zog dort einen Hammer und eine rostige Zange hervor. Er schob beides über den Tresen. »Ach ja, und du solltest diese schreckliche Uniform ausziehen. Schau dich nur in Jasconius’ Magen um.« Ausgelassen zwinkerte er Griffin zu. »Ich schätze, dort wirst du alles finden, was du brauchst.«

Beim Rat der Kapitäne

    Die Piratenflotte ankerte in einem weiten Ring rund um die Insel Saint Celestine. In der Nacht ließen sich die Lampen an Bord der Schiffe kaum von den Sternbildern und ihren Spiegelungen im Wasser unterscheiden.
    »Hier wird es vor Wachen nur so wimmeln«, sagte Walker griesgrämig, während sie gebückt über den Strand auf einen Palmenhain zuhielten. Ihre Seepferde hatten sich in den sicheren Schutz der offenen See zurückgezogen.
    »Natürlich«, entgegnete Soledad. »Aber die halten Ausschau nach uniformierten Spaniern oder Engländern. Nicht jeder Pirat kennt die Mitglieder aller übrigen Mannschaften. Falls sich uns jemand in den Weg stellt, behaupten wir einfach, wir gehören zur Besatzung eines anderen Schiffes. Wer will das schon nachprüfen?«
    Saint Celestine war ein winziges Eiland, fünfzehn Seemeilen westlich der Antilleninsel Martinique. Vor vielen Jahren hatten französische Kolonisten versucht, die Insel zu besiedeln. Doch das unbeständige Wetter und der sumpfige Boden hatten sie schließlich in die Knie gezwungen. Die Natur hatte zurückerobert, was die Siedler ihr in jahrelanger Arbeit abgerungen hatten.
    Überreste alter Blockhäuser waren mit Buschwerk und Kletterpflanzen überzogen. Anderswo ragten gezahnte Mauerreste wie der Knochenkiefer eines Riesen aus dem Dickicht. Unmittelbar vor einer Felswand befand sich unter einem Mantel aus fleischigen Blättern und Ranken ein erstaunlich gut erhaltener Kirchturm. Seine Spitze ragte nahezu unversehrt aus dem Dschungel.
    Überall flatterte, zirpte und kreischte es - die nächtlichen Jäger des Urwalds waren erwacht und auf Beutefang.

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