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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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Schemeln, vor jeder stand ein Spinnrad. Jolly rieb sich die Augen, so sehr misstraute sie ihrer Wahrnehmung. Aber bei genauerem Hinsehen gab es keinen Zweifel: Die Frauen saßen an Spinnrädern auf dem Meeresgrund.
    Jolly schwebte jetzt vier Mannslängen über ihnen. Einerseits noch immer auf der Hut, andererseits so fasziniert von dem seltsamen Anblick der Weberinnen, dass sie sich nicht losreißen konnte.
    Weshalb wandten die drei einander den Rücken zu? Warum waren sie an den Haaren miteinander verbunden? Und was, zum Teufel, hatten sie hier unten verloren?
    »Sei gegrüßt, junge Quappe«, sagte eine von ihnen, ohne den Kopf zu heben. Jolly konnte nicht erkennen, welche der Frauen gesprochen hatte.
    »Was… ist das hier?«, fragte sie unsicher und kam sich gleich darauf ziemlich einfältig vor. Das hier musste eine Halluzination sein, die ihr das Sterben leichter machen sollte.
    »Du stirbst nicht«, sagte eine der Frauen.
    »Jedenfalls noch nicht«, setzte eine zweite hinzu.
    Jolly schaute von einer zur anderen, aber konnte nicht ausmachen, welche von ihnen den Mund bewegte. »Wo ist die Carfax ?«, fragte sie jetzt eine Spur gefasster.
    »Weit fort von hier.«
    »Oder auch nicht.«
    »Ganz, wie man’s nimmt.«
    Hatten sie nacheinander gesprochen? Falls ja, dann redeten sie wie mit einer Stimme.
    Jolly zögerte, sich weiter abwärts sinken zu lassen. Als ihr jedoch klar wurde, dass diese Unterhaltung zu nichts führte, solange sie den dreien nicht in die Augen blickte, überwand sie ihre Scheu. Sie glitt ein Stück zur Seite, damit sie nicht im Zentrum des Dreiecks landete, und bewegte sich dann nach unten.
    Sand stob auf, als ihre Füße den Boden berührten. Eine Stimme rief: »Vorsicht, Kind! Tritt nicht auf das Garn!«
    Garn? Sie blickte nach unten und entdeckte, dass der Boden mit einer Art Netz bedeckt war. Zahllose Fäden waren zu einem dichten Webwerk verflochten. Sie kamen sternförmig aus allen Richtungen und endeten an den Spinnrädern der alten Frauen.
    »Was ist das?« Sie ging in die Hocke und streckte die Hand aus, um einen der fingerdicken Fäden zu berühren.
    Halb erwartete sie, dass die Frauen sie zurückhalten würden, doch es kam kein Widerspruch.
    Ein Kribbeln durchfuhr ihre Hand, schoss ihren Arm herauf, zog sich aber ebenso rasch wieder zurück, als strömte es aus Jollys Fingern zurück in das Garn. Das Material war weich und glatt und so klar wie… Wasser?
    Tatsächlich. Die alten Frauen spannen ihre Fäden aus Wasser. Oder aus etwas, das sich ohnehin schon im Wasser befand und sich unter ihren Händen verdichtete.
    »Magie«, sagte eine der Alten. »Du wärst sicher auch selbst darauf gekommen, nicht wahr?«
    Jolly blickte staunend über das Netzwerk hinweg, dessen Enden sich am Rande ihres Sichtfeldes verloren. »Sind das die magischen Adern?«
    »Wir nennen es Garn«, sagte die Alte, die Jolly am nächsten saß. Ihre Lippen bewegten sich kaum dabei.
    »Aber das ist wohl dasselbe«, sagte eine andere.
    »Wer seid ihr?«, fragte Jolly.
    »Weberinnen.«
    »Das sehe ich. Aber, ich meine… was macht ihr hier unten?«
    Sie kannte die Antwort bereits, bevor die Frauen sie aussprachen: »Wir spinnen das Garn.«
    »Wir weben das Netz.«
    »Was wollt ihr von mir?« Jolly hatte nun keinen Zweifel mehr, dass ihr Hiersein nicht zufällig war.
    »Wir haben dich beobachtet.«
    »Dich und die andere Quappe.«
    »Habt ihr uns geschaffen?« Jolly sah abermals auf die magischen Wasserstränge hinab, die, obwohl sie doch von Wasser umgeben waren, nirgends ihre Form verloren. So als wären sie fester und dichter. Oder eben magischer.
    »Das Garn hat euch erschaffen«, sagte eine der Frauen.
    »Nicht wir.«
    »Aber das ist unwichtig.«
    »Es ist an der Zeit, dass du gewisse Dinge erfährst.«
    »Wir glaubten, andere würden es dir erklären.«
    »Aber es hat keiner getan.«
    »Also werden wir es tun.«
    Alle drei nickten und die Haarbahnen zwischen ihnen spannten sich bis zum Zerreißen. Sie schienen dabei keine Schmerzen zu empfinden.
    Jolly ging langsam im Kreis um die drei Frauen herum. Der Sand, der um ihre Füße wirbelte, verwischte in Sekundenschnelle ihre Spuren. »Sagt mir erst, was das hier für ein Ort ist.«
    »Er hat keinen Namen.«
    »Wir sind Weberinnen.«
    »Hier weben wir.«
    Jolly biss sich auf die Unterlippe. Statt weitere Fragen zu stellen, musterte sie die Frauen im Vorbeigehen. Alle drei trugen lange Gewänder, die sogar im Sitzen ihre Füße verbargen; wie alles hier unten war

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