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Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier

Titel: Die Wellenläufer 02 - Die Muschelmagier Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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seine Planken und Masten ein letztes Mal aufbäumten. Jolly tastete sich durch den Rauch zum Steuer, doch das Rad war fort. Stattdessen klaffte dort eine tiefe Schneise der Verwüstung.
    » Buenaventure !«
    Panisch blickte sie sich um, konnte ihn aber nirgends entdecken.
    »Buenaventure!«
    Der Bug neigte sich nach unten. Wasser rauschte und klatschte, als das Heck aus den Wogen gehoben wurde. Jeden Moment mochte das Schiff entzweibrechen.
    »Sag doch irgendwas!«
    Aber sie bekam keine Antwort. Nicht vom Pitbullmann, nicht vom Hexhermetischen Holzwurm. Beide waren fort.
    Sie wollte mit der Carfax untergehen. Sie allein trug die Schuld an allem, was passiert war. Wenn die beiden tot waren, dann wollte auch sie sterben.
    »Jolly!«
    Jemand rief ihren Namen. Bannon? Tyrone? Jenseits der Rauchwände war die Quadriga nicht mehr zu sehen.
    »Jolly! Hier unten!«
    Möglich, dass sie sich die Worte nur einbildete. Der Lärm um sie herum war ohrenbetäubend. Das Schiff unter ihr bäumte sich auf, überall barst Holz, und sie musste den Überresten der Takelage ausweichen, um sich nicht darin zu verfangen.
    Trotzdem hörte sie schon wieder etwas.
    »Jolly! Spring!«
    In einem letzten Anflug von Vernunft besann sie sich der Dinge, die sie in Aelenium gelernt hatte. Das Heck stand jetzt in einem so steilen Winkel in der Luft, dass sie verzweifelt gegen die Steigung ankämpfen musste, um zur Reling zu gelangen. Als sie die Stelle erreicht hatte, war kein Geländer mehr da, sondern nur noch eine Reihe zersplitterter Holzstümpfe.
    Jolly warf sich in die Tiefe. Den Kopf voran jagte sie mit gestreckten Armen abwärts. Es war ihre einzige Chance, sonst würde sie als Quappe auf der Oberfläche zerschmettern.
    Sie brach durch die Wogen und zog eine Schleppe aus Luftblasen hinter sich her. Der Lärm um sie herum war auf einen Schlag wie abgeschnitten. Wie tief sie nach unten glitt, ehe sie sich an ihre Arme und Beine erinnerte und zu strampeln begann, wusste sie nicht. Um sie war blaugraues Halblicht. Aufgewirbeltes Wasser. Trümmer, die trudelnd in die Tiefe stürzten.
    Und dann ein mörderisches Zerren.
    Gleich neben ihr, keine drei Mannslängen entfernt, versank die Carfax im Meer. Als der geborstene, aufgeplatzte Rumpf erst einmal vollständig unter Wasser war, gab es kein Halten mehr. Die Hohlräume im Inneren füllten sich auf einen Schlag. In einem Chaos aus Seilen, Segelfetzen und messerscharfen Bruchstücken sackte das Wrack abwärts und riss alles in seiner Umgebung mit sich.
    Jolly kämpfte verzweifelt gegen den Sog an. Sie konnte zwar unter Wasser atmen, und wenn sie wollte, teilten ihre Hände die Fluten wie Luft. Doch gegen die Gewalten des sinkenden Schiffes kam auch sie nicht an. Sie sah das Licht über sich verblassen, rasend schnell. Die Tiefe verkrallte sich mit unsichtbaren Fingern in ihrer Kleidung, an ihren Gliedern.
    Jolly schoss abwärts, halb auf dem Rücken, fast in der Waagerechten, das Gesicht nach oben gewandt, die Hände ausgestreckt, als gäbe es über ihr irgendetwas, woran sie sich hätte festhalten können.
    Aber da war nichts.
    Nur Leere und das schwächer werdende Tageslicht.

Die Wasserweberinnen

    Der Sog riß Jolly durch tristes Nichts.
    Um sie herum herrschte das einförmige Grau, das sie ihrem Quappenblick verdankte. Er führte ihr die Ausweglosigkeit ihres Sturzes in den Abgrund noch deutlicher vor Augen.
    Wenn sie nicht ertrank, würde sie womöglich unter den Trümmern begraben werden. Oder von einer Mastspitze aufgespießt.
    Eigenartig, dass sie noch so klar denken konnte. Vermutlich war sie die erste Schiffbrüchige, die ihren Sturz in die Tiefe bewusst wahrnahm, ohne dass Panik ihr den Verstand raubte. Das Wrack der Carfax sank schneller als sie, es war irgendwo unter ihr, eingehüllt in einen Mantel aus Luftblasen. Immer wieder lösten sich Trümmerstücke und schossen zur Wasseroberfläche, sodass sie Acht geben musste, nicht von ihnen getroffen zu werden.
    Sie konnte ihre Position innerhalb des Sogs ändern und sich mit Bauch und Gesicht nach unten drehen - doch entkommen konnte sie der Gewalt nicht, die sie erbarmungslos abwärts riss. Wie ein Nagel, der von einem Magneten angezogen wird, folgte sie dem Schiffswrack nach unten.
    Wie tief mochte das Meer hier sein? Fünfhundert Fuß? Fünftausend? Nein, so tief wohl nicht, dazu waren sie zu nah an der Küste. Es würde wahrscheinlich nicht mehr lange dauern, ehe sie den Grund erreichte.
    Fische sah sie keine während ihres Falls. Die

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