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Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber

Titel: Die Wellenläufer 03 - Die Wasserweber Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kai Meyer
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in drei weiten Kreisen um die Stadt, doch bald würde ihr Einsatz beendet sein. Auch D’Artois und die anderen Befehlshaber mussten das wissen. Von Anfang an war klar gewesen, dass sie die Heere des Mahlstroms aus der Luft nicht ewig aufhalten konnten.
    Dies oblag nun den Männern und Frauen am Ufer, den Verteidigern des vorderen Walls. Die meisten von ihnen erstarrten vor Grauen, als die ersten Klabauter an Land krochen.
    Dürre, beinahe skelettartige Leiber mit viel zu langen Armen; verkniffene Fratzen mit fliehender Stirn, dunklen Augenschlitzen und einem Maul so groß, dass sie mit aufgerissenen Kiefern durch Fischschwärme tauchen und dabei dutzende Beutetiere auf einmal verschlingen konnten; eine schuppige Haut, die in allen Tönen des Regenbogens schillerte und in ihrem betörenden Farbenspiel in bizarrem Gegensatz zur Hässlichkeit dieser Kreaturen stand; und nicht zuletzt messerscharfe Krallen an knochigen Fingern, von denen einige Waffen hielten: primitive Harpunenlanzen voller Widerhaken, rostige Säbel vom Meeresgrund, den einen oder anderen Dolch, der einst einem Seemann gehört hatte.
    Als ölig schimmernde Woge schoben sich die Klabauter aus dem Wasser, so als speie die Gischt selbst sie empor. Wesen, die nicht dazu geschaffen waren, das Meer zu verlassen, und die es nun dennoch wagten. Beinahe hätte Buenaventure sie für ihre Entschlossenheit bewundert -wäre da nicht die Gewissheit gewesen, dass sie nicht aus freien Stücken handelten, sondern von ihren Häuptlingen aufgewiegelt und mit Drohungen vorwärts getrieben wurden. Häuptlingen, die wiederum unter dem Einfluss ihres Herrn standen, der dem Mahlstrom selbst gehorchte.
    Buenaventure und Walker bemannten mit vielen anderen eine Verteidigungslinie auf der Nordseite Aeleniums: einen doppelt mannshohen Wall aus Korallenstücken, die man aus der Unterstadt gebrochen hatte, verstärkt durch Sandsäcke, Holzbalken und sogar Möbel, die die Bewohner der angrenzenden Häuser herbeigeschleppt hatten. Rechts und links des Walls erhoben sich die Wände einer breiten Gasse. Mit solchen Barrikaden waren sämtliche Zugänge zum Meer geschlossen worden.
    Die erste Reihe der Verteidiger erwartete die Klabauter oben auf dem Wall, mit geladenen Büchsen und Schnappschlosspistolen, die sich auf ein Kommando hin nahezu gleichzeitig in Richtung der Angreifer entluden.
    Der Lärm schmerzte in Buenaventures Ohren, und der Pulverdampf biss in seine Augen. Als sich die Schwaden verzogen, sah er, dass die vordere Reihe der Klabauter zu Boden gegangen war, manche tot, andere verletzt und immer noch kreischend. Ihre nachdrängenden Artgenossen kletterten achtlos über die Gefallenen hinweg - sie hatten gar keine andere Wahl, denn hinter ihnen erhoben sich neue Krieger der Tiefen Stämme aus der Brandung, eine unglaubliche Flut von Leibern und Krallen und gefletschten Zähnen.
    Buenaventure, Walker und viele andere nahmen rasch die Plätze der Schützen auf dem Wall ein, während diese zurücksprangen, um ihre Waffen nachzuladen. Der Pitbullmann trug in der rechten Hand seinen Säbel mit der breiten, gezahnten Klinge, der ihm schon in den Scherbengruben von Antigua gute Dienste geleistet hatte; in der Linken hielt er einen Dolch, groß genug, um für einen gewöhnlichen Menschen ein passables Schwert abzugeben.
    Buenaventure wechselte einen kurzen Blick mit seinem Freund - das musste genügen, um einander Glück zu wünschen. Dann stürzten sie sich Seite an Seite in die Schlacht, wie schon unzählige Male zuvor. Und doch hatten sie sich niemals Gegnern wie diesen stellen müssen. Sie hatten Gefechte an Land und zu Schiff ausgetragen, nicht selten gegen eine Übermacht spanischer Soldaten, die ihnen an Bewaffnung und Zahl überlegen waren; sie hatten in den Gassen von Tortuga und New Providence gefochten, im großen Kerkeraufstand von Caracas und auf den brennenden Tabakfeldern Jamaikas. In den Scherbengruben hatte Buenaventure sich mehr als einmal in ausweglosen Lagen befunden, doch trotz allem war er immer wieder mit dem Leben davongekommen.
    Heute mochte es anders ausgehen.
    Wie ein Derwisch teilte er Schläge aus, mähte mit einem Hieb mal zwei, sogar drei Klabauter nieder, wich ihren Hakenlanzen und Krallen aus, brach einem das dürre Genick und schleuderte einen anderen mit einem Tritt zurück in die nachrückenden Massen. Zugleich behielt er Walker im Auge, der ihm zwar nicht an Geschick mit der Klinge, wohl aber an Kraft unterlegen war; Buenaventure würde ihm zu

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