Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
Menschen begnügen müssen. Die Indische Litteratur ist, wie wir schon aus dem Wenigen, was wir bis jetzt durch Uebersetzungen kennen, sehn, sehr reich an Schilderungen des Lebens der Heiligen, der Büßenden, Samanäer, Saniassis u.s.w. genannt. Selbst die bekannte, wiewohl keineswegs in jeder Hinsicht lobenswerthe »Mythologie des Indous par Mad. de Polier« enthält viele vortreffliche Beispiele dieser Art. (Besonders im 13. Kapitel des zweiten Bandes.) Auch unter den Christen fehlt es nicht an Beispielen zu der bezweckten Erläuterung. Man lese die meistens schlecht geschriebenen Biographien derjenigen Personen, welche bald heilige Seelen, bald Pietisten, Quietisten, fromme Schwärmer u.s.w. genannt sind. Sammlungen solcher Biographien sind zu verschiedenen Zeiten gemacht, wie Tersteegen's »Leben heiliger Seelen«, Reiz's »Geschichten der Wiedergeborenen«, in unsern Tagen eine Sammlung von Kanne, die unter vielem Schlechten doch auch manches Gute enthält, wohin ich besonders das »Leben der Beata Sturmin« zähle. Ganz eigentlich gehört hieher das Leben des heiligen Franciscus von Assisi, dieser wahren Personifikation der Askese, und Vorbildes aller Bettelmönche. Sein Leben, von seinem jungem Zeitgenossen, dem auch als Scholastiker berühmten heiligen Bonaventura beschrieben, ist neuerlich wieder aufgelegt worden: »Vita S. Francisci a S. Bonaventura concinnata« (Soest 1847), nachdem kurz vorher eine sorgfältige, ausführliche und alle Quellen benutzende Biographie desselben in Frankreich erschienen war: » Histoire de S. Francois d'Assise, par Chavin de Mallan « (1845). – Als Orientalische Parallele zu diesen Klosterschriften haben wir das höchst lesenswerthe Buch von Spence Hardy: » Eastern monachism, an account of the order of mendicants founded by Gotama Budha « (1850). Es zeigt uns die selbe Sache in einem andern Gewände. Auch sieht man, wie gleichgültig es ihr ist, ob sie von einer theistischen, oder einer atheistischen Religion ausgeht. – Vorzüglich aber kann ich, als ein specielles, höchst ausführliches Beispiel und eine faktische Erläuterung der von mir aufgestellten Begriffe, die Autobiographie der Frau von Guion empfehlen, welche schöne und große Seele, deren Andenken mich stets mit Ehrfurcht erfüllt, kennen zu lernen und dem Vortrefflichen ihrer Gesinnung, mit Nachsicht gegen den Aberglauben ihrer Vernunft, Gerechtigkeit widerfahren zu lassen, jedem Menschen besserer Art eben so erfreulich seyn muß, als jenes Buch bei den Gemeindenkenden, d.h. der Mehrzahl, stets in schlechtem Kredit stehn wird, weil durchaus und überall Jeder nur Das schätzen kann, was ihm einigermaaßen analog ist und wozu er wenigstens eine schwache Anlage hat. Dies gilt wie vom Intellektuellen, so auch vom Ethischen. Gewissermaaßen könnte man als ein hiehergehöriges Beispiel sogar die bekannte französische Biographie Spinoza's betrachten, wenn man nämlich als Schlüssel zu derselben jenen herrlichen Eingang zu seiner ungenügenden Abhandlung »De emendatione intellectus« gebraucht, welche Stelle ich zugleich als das wirksamste mir bekannt gewordene Besänftigungsmittel des Sturms der Leidenschaften anempfehlen kann. Endlich hat selbst der große Goethe, so sehr er Grieche ist, es nicht seiner unwürdig gehalten, uns diese schönste Seite der Menschheit im verdeutlichenden Spiegel der Dichtkunst zu zeigen, indem er uns in den »Bekenntnissen einer schönen Seele« das Leben der Fräulein Klettenberg idealisirt darstellte und später, in seiner eigenen Biographie, auch historische Nachricht davon gab; wie er uns denn auch das Leben des heiligen Philippo Neri sogar zwei Mal erzählt hat. – Die Weltgeschichte wird zwar immer und muß von den Menschen schweigen, deren Wandel die beste und allein ausreichende Erläuterung dieses wichtigen Punktes unserer Betrachtung ist. Denn der Stoff der Weltgeschichte ist ein ganz anderer, ja entgegengesetzter, nämlich nicht das Verneinen und Aufgeben des Willens zum Leben, sondern eben sein Bejahen und Erscheinen in unzähligen Individuen, in welchem seine Entzweiung mit sich selbst, auf dem höchsten Gipfel seiner Objektivation, mit vollendeter Deutlichkeit hervortritt, und nun uns bald die Ueberlegenheit des Einzelnen durch seine Klugheit, bald die Gewalt der Menge durch ihre Masse, bald die Macht des sich zum Schicksal personificirenden Zufalls, immer die Vergeblichkeit und Nichtigkeit des ganzen Strebens vor Augen bringt. Uns aber, die wir hier nicht den
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