Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
den Analyt. post., Lib. II, c. 11 , spricht er von einem Kreislauf der Ursachen und Wirkungen, aber nicht von einer Wechselwirkung.
4) Die Kategorien der Modalität haben vor allen übrigen den Vorzug, daß Das, was durch jede derselben ausgedrückt wird, der Urtheilsform, von der es abgeleitet ist, doch wirklich entspricht; was bei den andern Kategorien fast gar nicht der Fall ist, indem sie meistens mit dem willkürlichsten Zwange aus den Urtheilsformen herausdeducirt sind.
Daß also die Begriffe des Möglichen, Wirklichen und Nothwendigen es sind, welche die problematische, assertorische und apodiktische Form des Urtheils veranlassen, ist vollkommen wahr. Daß aber jene Begriffe besondere, ursprüngliche und nicht weiter abzuleitende Erkenntnißformen des Verstandes wären, ist nicht wahr. Vielmehr stammen sie aus der einzigen ursprünglichen und daher a priori uns bewußten Form alles Erkennens her, aus dem Satze vom Grunde, und zwar unmittelbar aus diesem die Erkenntniß der Nothwendigkeit ; hingegen erst indem auf diese die Reflexion angewandt wird, entstehn die Begriffe von Zufälligkeit, Möglichkeit, Unmöglichkeit, Wirklichkeit. Alle diese urständen daher keineswegs aus einer Geisteskraft, dem Verstande, sondern entstehn durch den Konflikt des abstrakten Erkennens mit dem intuitiven, wie man sogleich sehn wird.
Ich behaupte, daß Nothwendigseyn und Folge aus einem gegebenen Grunde seyn, durchaus Wechselbegriffe und völlig identisch sind. Als nothwendig können wir nimmermehr etwas erkennen, ja nur denken, als sofern wir es als Folge eines gegebenen Grundes ansehn: und weiter als diese Abhängigkeit, dieses Gesetztseyn durch ein Anderes und dieses unausbleibliche Folgen aus ihm, enthält der Begriff der Nothwendigkeit schlechthin nichts. Er entsteht und besteht also einzig und allein durch Anwendung des Satzes vom Grunde. Daher giebt es, gemäß den verschiedenen Gestaltungen dieses Satzes, ein physisch Nothwendiges (der Wirkung aus der Ursache), ein logisch (durch den Erkenntnißgrund, in analytischen Urtheilen, Schlüssen u.s.w.), ein mathematisch (nach dem Seynsgrunde in Raum und Zeit), und endlich ein praktisch Nothwendiges, womit wir nicht etwan das Bestimmtseyn durch einen angeblichen kategorischen Imperativ, sondern die, bei gegebenem empirischen Charakter, nach vorliegenden Motiven nothwendig eintretende Handlung bezeichnen wollen. – Alles Nothwendige ist es aber nur relativ, nämlich unter der Voraussetzung des Grundes, aus dem es folgt: daher ist absolute Nothwendigkeit ein Widerspruch. – Im Uebrigen verweise ich auf § 49 der Abhandlung über den Satz vom Grunde.
Das kontradiktorische Gegentheil, d.h. die Verneinung der Nothwendigkeit ist die Zufälligkeit . Der Inhalt dieses Begriffs ist daher negativ, nämlich weiter nichts als dieses: Mangel der durch den Satz vom Grunde ausgedrückten Verbindung. Folglich ist auch das Zufällige immer nur relativ: nämlich in Beziehung auf etwas, das nicht sein Grund ist, ist es ein solches. Jedes Objekt, von welcher Art es auch sei, z.B. jede Begebenheit in der wirklichen Welt, ist allemal nothwendig und zufällig zugleich: nothwendig in Beziehung auf das Eine, das ihre Ursache ist; zufällig in Beziehung auf alles Uebrige. Denn ihre Berührung in Zeit und Raum mit allem Uebrigen ist ein bloßes Zusammentreffen, ohne nothwendige Verbindung: daher auch die Wörter Zufall , symptôma , contingens. So wenig daher, wie ein absolut Nothwendiges, ist ein absolut Zufälliges denkbar. Denn dieses Letztere wäre eben ein Objekt, welches zu keinem andern im Verhältniß der Folge zum Grunde stände. Die Unvorstellbarkeit eines solchen ist aber gerade der negativ ausgedrückte Inhalt des Satzes vom Grunde, welcher also erst umgestoßen werden müßte, um ein absolut Zufälliges zu denken: dieses selbst hätte aber alsdann auch alle Bedeutung verloren, da der Begriff des Zufälligen solche nur in Beziehung auf jenen Satz hat, und bedeutet, daß zwei Objekte nicht im Verhältniß von Grund und Folge zu einander stehn.
In der Natur, sofern sie anschauliche Vorstellung ist, ist Alles was geschieht nothwendig: denn es geht aus seiner Ursache hervor. Betrachten wir aber dieses Einzelne in Beziehung auf das Uebrige, welches nicht seine Ursache ist; so erkennen wir es als zufällig: dies ist aber schon eine abstrakte Reflexion. Abstrahiren wir nun ferner, bei einem Objekt der Natur, ganz von seinem Kausalverhältniß zu dem Uebrigen, also von seiner Nothwendigkeit
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