Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
Vom Netzwerk:
lebendigsten in der Ueberzeugung des rohesten Menschen, der nie nachgedacht hat, ist also auf keine Spekulation gegründet, wiewohl oft dahin hinübergenommen. Frei davon sind hingegen nur Philosophen und zwar die tiefsten, ebenfalls sind es auch die denkendesten und erleuchtetesten Schriftsteller der Kirche.
    Allem Gesagten zufolge ist also der eigentliche Ursprung des Begriffs der Freiheit auf keine Weise wesentlich ein Schluß, weder aus der spekulativen Idee einer unbedingten Ursache, noch daraus, daß ihn der kategorische Imperativ voraussetze; sondern er entspringt unmittelbar aus dem Bewußtseyn, darin sich Jeder selbst, ohne Weiteres, als den Willen , d.h. als dasjenige, was als Ding an sich nicht den Satz vom Grunde zur Form hat und das selbst von nichts, von dem vielmehr alles andere abhängt, erkennt, nicht aber zugleich mit philosophischer Kritik und Besonnenheit sich, als schon in die Zeit eingetretene und bestimmte Erscheinung dieses Willens, man könnte sagen Willensakt, von jenem Willen zum Leben selbst unterscheidet, und daher, statt sein ganzes Daseyn als Akt seiner Freiheit zu erkennen, diese vielmehr in seinen einzelnen Handlungen sucht. Hierüber verweise ich auf meine Preisschrift von der Freiheit des Willens.
    Hätte nun Kant, wie er hier vorgiebt und auch scheinbar bei früheren Gelegenheiten that, das Ding an sich bloß erschlossen und dazu mit der großen Inkonsequenz eines von ihm selbst durchaus verpönten Schlusses; – welch ein sonderbarer Zufall wäre es dann, daß er hier, wo er zum ersten Mal näher an das Ding an sich herangeht und es beleuchtet, in ihm sogleich den Willen erkennt, den freien, in der Welt sich nur durch zeitliche Erscheinungen kund gebenden Willen! – Ich nehme daher wirklich an, obwohl es nicht zu beweisen ist, daß Kant, so oft er vom Ding an sich redete, in der dunkelsten Tiefe seines Geistes, immer schon den Willen undeutlich dachte. Einen Beleg hiezu giebt, in der Vorrede zur zweiten Auflage der Kritik der reinen Vernunft, S. XXVII und XXVIII, in der Rosenkranzischen Ausgabe S. 677 der Supplemente.
    Uebrigens ist es eben diese beabsichtigte Auflösung des vorgeblichen dritten Widerstreits, welche Kanten Gelegenheit giebt, die tiefsten Gedanken seiner ganzen Philosophie sehr schön auszusprechen. So im ganzen »sechsten Abschnitt der Antinomie der reinen Vernunft«; vor allem aber die Auseinandersetzung des Gegensatzes zwischen empirischem und intelligibelem Charakter, S. 534-550; v, 562-578, welche ich dem Vortrefflichsten beizähle, das je von Menschen gesagt worden (als ergänzende Erläuterung dieser Stelle ist anzusehn eine ihr parallele in der »Kritik der praktischen Vernunft«, S. 169-179 der vierten, oder S. 224-231 der Rosenkranzischen Ausgabe). Es ist jedoch um so mehr zu bedauern, daß solches hier nicht am rechten Orte steht, sofern nämlich, als es theils nicht auf dem Wege gefunden ist, den die Darstellung angiebt und daher auch anders, als geschieht, abzuleiten wäre, theils auch nicht den Zweck erfüllt, zu welchem es dasteht, nämlich die Auflösung der vorgeblichen Antinomie. Es wird von der Erscheinung auf ihren intelligibeln Grund, das Ding an sich, geschlossen, durch den schon genugsam gerügten inkonsequenten Gebrauch der Kategorie der Kausalität über alle Erscheinung hinaus. Als dieses Ding an sich wird für diesen Fall des Menschen Wille (den Kant höchst unstatthaft, mit unverzeihlicher Verletzung alles Sprachgebrauchs, Vernunft betitelt) aufgestellt, mit Berufung auf ein unbedingtes Sollen, den kategorischen Imperativ, der ohne Weiteres postulirt wird.
    Statt alles diesen nun wäre das lautere, offene Verfahren gewesen, unmittelbar vom Willen auszugehn, diesen nachzuweisen als das ohne alle Vermittelung erkannte Ansich unserer eigenen Erscheinung, und dann jene Darstellung des empirischen und intelligibeln Charakters zu geben, darzuthun, wie alle Handlungen, obwohl durch Motive necessitirt, dennoch, sowohl von ihrem Urheber, als vom fremden Beurtheiler, jenem selbst und allein, nothwendig und schlechthin zugeschrieben werden, als lediglich von ihm abhängend, dem sonach Schuld und Verdienst ihnen gemäß zuerkannt werden. – Dieses allein war der gerade Weg zur Erkenntniß Dessen, was nicht Erscheinung ist, folglich auch nicht nach den Gesetzen der Erscheinung gefunden wird, sondern Das ist, was durch die Erscheinung sich offenbart, erkennbar wird, sich objektivirt, der Wille zum Leben. Derselbe hätte sodann, bloß nach Analogie,

Weitere Kostenlose Bücher