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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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einige, oft bedeutende Anstrengung erfordert, und deren Begriffe es sind, welche sich so oft der Befriedigung unserer unmittelbaren Wünsche entgegenstellen, indem sie, als das Medium der Vergangenheit, der Zukunft und des Ernstes, das Vehikel unserer Befürchtungen, unserer Reue und aller unserer Sorgen abgeben. Diese strenge, unermüdliche, überlästige Hofmeisterin Vernunft jetzt ein Mal der Unzulänglichkeit überführt zu sehn, muß uns daher ergötzlich seyn. Deshalb also ist die Miene des Lachens der der Freude sehr nahe verwandt.
    Wegen des Mangels an Vernunft, also an Allgemeinbegriffen, ist das Thier, wie der Sprache, so auch des Lachens unfähig. Dieses ist daher ein Vorrecht und charakteristisches Merkmal des Menschen. Jedoch hat, beiläufig gesagt, auch sein einziger Freund, der Hund, einen analogen, ihm allein eigenen und charakteristischen Akt vor allen andern Thieren voraus, nämlich das so ausdrucksvolle, wohlwollende und grundehrliche Wedeln. Wie vortheilhaft sticht doch diese, ihm von der Natur eingegebene Begrüßung ab, gegen die Bücklinge und grinzenden Höflichkeitsbezeugungen der Menschen, deren Versicherung inniger Freundschaft und Ergebenheit es an Zuverlässigkeit, wenigstens für die Gegenwart, tausend Mal übertrifft. –
    Das Gegentheil des Lachens und Scherzes ist der Ernst . Demgemäß besteht er im Bewußtseyn der vollkommenen Uebereinstimmung und Kongruenz des Begriffs, oder Gedankens, mit dem Anschaulichen, oder der Realität. Der Ernste ist überzeugt, daß er die Dinge denkt wie sie sind, und daß sie sind wie er sie denkt. Eben deshalb ist der Uebergang vom tiefen Ernst zum Lachen so besonders leicht und durch Kleinigkeiten zu bewerkstelligen; weil jene vom Ernst angenommene Uebereinstimmung, je vollkommener sie schien, desto leichter selbst durch eine geringe, unerwartet zu Tage kommende Inkongruenz aufgehoben wird. Daher je mehr ein Mensch des ganzen Ernstes fähig ist, desto herzlicher kann er lachen. Menschen, deren Lachen stets affektirt und gezwungen herauskommt, sind intellektuell und moralisch von leichtem Gehalt; wie denn überhaupt die Art des Lachens, und andererseits der Anlaß dazu, sehr charakteristisch für die Person ist. Daß die Geschlechtsverhältnisse den leichtesten, jederzeit bereit liegenden und auch dem schwächsten Witz erreichbaren Stoff zum Scherze abgeben, wie die Häufigkeit der Zoten beweist, könnte nicht seyn, wenn nicht der tiefste Ernst gerade ihnen zum Grunde läge.
    Daß das Lachen Anderer über Das, was wir thun oder ernstlich sagen, uns so empfindlich beleidigt, beruht darauf, daß es aussagt, zwischen unsern Begriffen und der objektiven Realität sei eine gewaltige Inkongruenz. Aus dem selben Grunde ist das Prädikat »lächerlich« beleidigend. – Das eigentliche Hohngelächter ruft dem gescheiterten Widersacher triumphirend zu, wie inkongruent die Begriffe, welche er gehegt, zu der sich jetzt ihm offenbarenden Wirklichkeit gewesen. Unser eigenes bitteres Lachen, bei der sich uns schrecklich enthüllenden Wahrheit, durch welche fest gehegte Erwartungen sich als täuschend erweisen, ist der lebhafte Ausdruck der nunmehr gemachten Entdeckung der Inkongruenz zwischen den Gedanken, die wir, in thörichtem Vertrauen auf Menschen oder Schicksal, gehegt, und der jetzt sich entschleiernden Wirklichkeit.
    Das absichtlich Lächerliche ist der Scherz : er ist das Bestreben, zwischen den Begriffen des Andern und der Realität, durch Verschieben des Einen dieser Beiden, eine Diskrepanz zu Wege zu bringen; während sein Gegentheil der Ernst in der wenigstens angestrebten genauen Angemessenheit Beider zu einander besteht. Versteht nun aber der Scherz sich hinter den Ernst; so entsteht die Ironie : z.B. wenn wir auf die Meinungen des Andern, welche das Gegentheil der unserigen sind, mit scheinbarem Ernst eingehn und sie mit ihm zu theilen simuliren; bis endlich das Resultat ihn an uns und ihnen irre macht. So verhielt sich Sokrates dem Hippias, Protagoras, Gorgias und andern Sophisten, überhaupt oft seinem Collocutor gegenüber. – Das Umgekehrte der Ironie wäre demnach der hinter den Scherz versteckte Ernst, und dies ist der Humor . Man könnte ihn den doppelten Kontrapunkt der Ironie nennen, – Erklärungen wie »der Humor ist die Wechseldurchdringung des Endlichen und Unendlichen« drücken nichts weiter aus, als die gänzliche Unfähigkeit zum Denken Derer, die an solchen hohlen Floskeln ihr Genügen haben. – Die Ironie ist objektiv, nämlich

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