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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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gründet sich auch der Lieblingssatz aller gewöhnlichen Köpfe, daß wer sich das Leben nimmt verrückt seyn müsse, nicht weniger jedoch das mit einer gewissen Bewunderung verknüpfte Erstaunen, welches diese Handlung, selbst in denkenden Köpfen, jedesmal hervorruft, weil dieselbe der Natur alles Lebenden so sehr entgegenläuft, daß wir Den, welcher sie zu vollbringen vermochte, in gewissem Sinne bewundern müssen, ja sogar eine gewisse Beruhigung darin finden, daß, auf die schlimmsten Fälle, dieser Ausweg wirklich offen steht, als woran wir zweifeln könnten, wenn es nicht die Erfahrung bestätigte. Denn der Selbstmord geht von einem Beschlüsse des Intellekts aus: unser Lebenwollen aber ist ein prius des Intellekts. – Auch diese Betrachtung also, welche Kapitel 28 ausführlich zur Sprache kommt, bestätigt das Primat des Willens im Selbstbewußtsein.
    12) Hingegen beweist nichts deutlicher die sekundäre, abhängige, bedingte Natur des Intellekts , als seine periodische Intermittenz. Im tiefen Schlaf hört alles Erkennen und Vorstellen gänzlich auf. Allein der Kern unsers Wesens, das Metaphysische desselben, welches die organischen Funktionen als ihr primum mobile nothwendig voraussetzen, darf nie pausiren, wenn nicht das Leben aufhören soll, und ist auch, als ein Metaphysisches, mithin Unkörperliches, keiner Ruhe bedürftig. Daher haben die Philosophen, welche als diesen metaphysischen Kern eine Seele , d.h. ein ursprünglich und wesentlich erkennendes Wesen aufstellten, sich zu der Behauptung genöthigt gesehn, daß diese Seele in ihrem Vorstellen und Erkennen ganz unermüdlich sei, solches mithin auch im tiefsten Schlafe fortsetze; nur daß uns, nach dem Erwachen, keine Erinnerung davon bliebe. Das Falsche dieser Behauptung einzusehn wurde aber leicht, sobald man, in Folge der Lehre Kants , jene Seele bei Seite gesetzt hatte. Denn Schlaf und Erwachen zeigen dem unbefangenen Sinn auf das deutlichste, daß das Erkennen eine sekundäre und durch den Organismus bedingte Funktion ist, so gut wie irgend eine andere. Unermüdlich ist allein das Herz ; weil sein Schlag und der Blutumlauf nicht unmittelbar durch Nerven bedingt, sondern eben die ursprüngliche Aeußerung des Willens sind. Auch alle andern, bloß durch Gangliennerven, die nur eine sehr mittelbare und entfernte Verbindung mit dem Gehirn haben, gelenkte, physiologische Funktionen werden im Schlafe fortgesetzt, wiewohl die Sekretionen langsamer geschehn: selbst der Herzschlag wird, wegen seiner Abhängigkeit von der Respiration, als welche durch das Cerebralsystem (medulla oblongata ) bedingt ist, mit dieser ein wenig langsamer. Der Magen ist vielleicht im Schlaf am thätigsten, welches seinem speciellen, gegenseitige Störungen veranlassenden Consensus mit dem jetzt feiernden Gehirn zuzuschreiben ist. Das Gehirn allein, und mit ihm das Erkennen, pausirt im tiefen Schlafe ganz. Denn es ist bloß das Ministerium des Aeußern, wie das Gangliensystem das Ministerium des Innern ist. Das Gehirn, mit seiner Funktion des Erkennens, ist nichts weiter, als eine vom Willen, zu seinen draußen liegenden Zwecken, aufgestellte Vedette , welche oben, auf der Warte des Kopfes, durch die Fenster der Sinne umherschaut, aufpaßt, von wo Unheil drohe und wo Nutzen abzusehn sei, und nach deren Bericht der Wille sich entscheidet. Diese Vedette ist dabei, wie jeder im aktiven Dienst Begriffene, in einem Zustande der Spannung und Anstrengung, daher sie es gern sieht, wenn sie, nach verrichteter Wacht, wieder eingezogen wird; wie jede Wache gern wieder vom Posten abzieht. Dies Abziehn ist das Einschlafen, welches daher so süß und angenehm ist und zu welchem wir so willfährig sind: hingegen ist das Aufgerütteltwerden unwillkommen, weil es die Vedette plötzlich wieder auf den Posten ruft: man fühlt dabei ordentlich die nach der wohlthätigen Systole wieder eintretende beschwerliche Diastole, das Wiederauseinanderfahren des Intellekts vom Willen. Einer sogenannten Seele , die ursprünglich und von Hause aus ein erkennendes Wesen wäre, müßte, im Gegentheil, beim Erwachen zu Muthe seyn, wie dem Fisch, der wieder ins Wasser kommt. Im Schlafe, wo bloß das vegetative Leben fortgesetzt wird, wirkt der Wille allein nach seiner ursprünglichen und wesentlichen Natur, ungestört von außen, ohne Abzug seiner Kraft durch die Thätigkeit des Gehirns und Anstrengung des Erkennens, welches die schwerste organische Funktion, für den Organismus aber bloß Mittel, nicht Zweck

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