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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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bloßer Zustand. Das, dessen Zustand er selbst ist, kann nur indirekt, gleichsam durch Reflex, von ihm erkannt werden: aber das Aufhören des Zustandes darf nicht angesehn werden als die Vernichtung Dessen, von dem es ein Zustand ist. Dieses erkennende und bewußte Ich verhält sich zum Willen, welcher die Basis der Erscheinung desselben ist, wie das Bild im Fokus des Hohlspiegels zu diesem selbst, und hat, wie jenes, nur eine bedingte, ja eigentlich bloß scheinbare Realität. Weit entfernt, das schlechthin Erste zu seyn (wie z.B. Fichte lehrte), ist es im Grunde tertiär, indem es den Organismus voraussetzt, dieser aber den Willen. – Ich gebe zu, daß alles hier Gesagte doch eigentlich nur Bild und Gleichniß, auch zum Theil hypothetisch sei: allein wir stehn bei einem Punkte, bis zu welchem kaum die Gedanken, geschweige die Beweise reichen. Ich bitte daher, es mit Dem zu vergleichen, was ich im zwanzigsten Kapitel über diesen Gegenstand ausführlich beigebracht habe.
    Obgleich nun das Wesen an sich jedes Daseienden in seinem Willen besteht, und die Erkenntniß, nebst dem Bewußtseyn, nur als ein Sekundäres, auf den höheren Stufen der Erscheinung hinzukommt; so finden wir doch, daß der Unterschied, den die Anwesenheit und der verschiedene Grad des Bewußtseyns und Intellekts zwischen Wesen und Wesen setzt, überaus groß und folgenreich ist. Das subjektive Daseyn der Pflanze müssen wir uns denken als ein schwaches Analogen, einen bloßen Schatten von Behagen und Unbehagen: und selbst in diesem äußerst schwachen Grade weiß die Pflanze allein von sich, nicht von irgend etwas außer ihr. Hingegen schon das ihr am nächsten stehende, unterste Thier ist durch gesteigerte und genauer specificirte Bedürfnisse veranlaßt, die Sphäre seines Daseins über die Gränze seines Leibes hinaus zu erweitern. Dies geschieht durch die Erkenntniß: es hat eine dumpfe Wahrnehmung seiner nächsten Umgebung, aus welcher ihm Motive für sein Thun, zum Zweck seiner Erhaltung, erwachsen. Hiedurch tritt sonach das Medium der Motive ein: und dieses ist – die in Zeit und Raum objektiv dastehende Welt, die Welt als Vorstellung; so schwach, dumpf und kaum dämmernd auch dieses erste und niedrigste Exemplar derselben seyn mag. Aber deutlicher und immer deutlicher, immer weiter und immer tiefer, prägt sie sich aus, in dem Maaße, wie in der aufsteigenden Reihe thierischer Organisationen das Gehirn immer vollkommener producirt wird. Diese Steigerung der Gehirnentwickelung, also des Intellekts und der Klarheit der Vorstellung, auf jeder dieser immer höheren Stufen, wird aber herbeigeführt durch das sich immer mehr erhöhende und komplicirende Bedürfniß dieser Erscheinungen des Willens. Dieses muß immer erst den Anlaß dazu geben: denn ohne Noth bringt die Natur (d.h. der in ihr sich objektivirende Wille) nichts, am wenigsten die schwierigste ihrer Produktionen, ein vollkommneres Gehirn hervor; in Folge ihrer lex parsimoniae: natura nihil agit frustra et nihil facit supervacaneum . Jedes Thier hat sie ausgestattet mit den Organen, die zu seiner Erhaltung, den Waffen, die zu seinem Kampfe nothwendig sind; wie ich dies in der Schrift »Ueber den Willen in der Natur« unter der Rubrik »Vergleichende Anatomie« ausführlich dargestellt habe: nach dem nämlichen Maaßstabe daher ertheilte sie jedem das wichtigste der nach außen gerichteten Organe, das Gehirn, mit seiner Funktion, dem Intellekt. Je komplicirter nämlich, durch höhere Entwickelung, seine Organisation wurde, desto mannigfaltiger und specieller bestimmt wurden auch seine Bedürfnisse, folglich desto schwieriger und von der Gelegenheit abhängiger die Herbeischaffung des sie Befriedigenden. Da bedurfte es also eines weitem Gesichtskreises, einer genauem Auffassung, einer richtigern Unterscheidung der Dinge in der Außenwelt, in allen ihren Umständen und Beziehungen. Demgemäß sehn wir die Vorstellungskräfte und ihre Organe, Gehirn, Nerven und Sinneswerkzeuge, immer vollkommener hervortreten, je höher wir in der Stufenleiter der Thiere aufwärts gehn: und in dem Maaße, wie das Cerebralsystem sich entwickelt, stellt sich die Außenwelt immer deutlicher, vielseitiger, vollkommener, im Bewußtsein dar. Die Auffassung derselben erfordert jetzt immer mehr Aufmerksamkeit, und zuletzt in dem Grade, daß bisweilen ihre Beziehung auf den Willen momentan aus den Augen verloren werden muß, damit sie desto reiner und richtiger vor sich gehe. Ganz entschieden tritt dies erst

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