Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
seiner besondern Gestalt lange hin und her rollt, bis er den Schwerpunkt wiederfindet, aufmerksam betrachten, wo dann ein gewisser Anschein des Lebens sich uns aufdringt und wir unmittelbar fühlen, daß etwas der Grundlage des Lebens Analoges auch hier wirksam ist. Dieses ist freilich die allgemeine Naturkraft, welche aber, an sich mit dem Willen identisch, hier gleichsam die Seele eines sehr kurzen Quasi- Lebens wird. Also giebt das in den beiden Extremen der Erscheinung des Willens Identische sich hier sogar der unmittelbaren Anschauung noch leise kund, indem diese ein Gefühl in uns erregt, daß auch hier ein ganz Ursprüngliches, wie wir es nur aus den Akten unsers eigenen Willens kennen, unmittelbar zur Erscheinung gelangt.
Auf eine ganz andere und großartige Weise kann man zu einer intuitiven Erkenntniß vom Daseyn und Wirken des Willens in der unorganischen Natur gelangen, wenn man sich in das Problem der drei Körper hineinstudirt und also den Lauf des Mondes um die Erde etwas genauer und specieller kennen lernt. Durch die verschiedenen Kombinationen, welche der beständige Wechsel der Stellung dieser drei Weltkörper gegen einander herbeiführt, wird der Gang des Mondes bald beschleunigt, bald verlangsamt, und tritt er der Erde bald näher, bald ferner: dieses nun aber wieder anders im Perihelio, als im Aphelio der Erde; welches Alles zusammen in seinen Lauf eine solche Unregelmäßigkeit bringt, daß derselbe ein wirklich kapriciöses Ansehn erhält, indem sogar das zweite Keplerische Gesetz nicht mehr unwandelbar gültig bleibt, sondern er in gleichen Zeiten ungleiche Flächen umschreibt. Die Betrachtung dieses Laufes ist ein kleines und abgeschlossenes Kapitel der himmlischen Mechanik, welche von der irdischen sich durch die Abwesenheit alles Stoßes und Druckes, also der uns so faßlich scheinenden vis a tergo , und sogar des wirklich vollbrachten Falles, auf erhabene Weise unterscheidet, indem sie neben der vis inertiae keine andere bewegende und lenkende Kraft kennt, als bloß die Gravitation, diese aus dem eigenen Innern der Körper hervortretende Sehnsucht derselben nach Vereinigung. Wenn man nun, an diesem gegebenen Fall, sich ihr Wirken bis ins Einzelne veranschaulicht; so erkennt man deutlich und unmittelbar in der hier bewegenden Kraft eben Das, was im Selbstbewußtseyn uns als Wille gegeben ist. Denn die Aenderungen im Laufe der Erde und des Mondes, je nachdem eines derselben, durch seine Stellung, dem Einfluß der Sonne bald mehr, bald weniger ausgesetzt ist, haben augenfällige Analogie mit dem Einfluß neu eintretender Motive auf unsern Willen und mit den Modifikationen unsers Handelns danach.
Ein erläuterndes Beispiel anderer Art ist folgendes. Liebig (Chemie in Anwendung auf Agrikultur, S. 501) sagt: »Bringen wir feuchtes Kupfer in Luft, welche Kohlensäure enthält, so wird durch den Kontakt mit dieser Säure, die Verwandtschaft des Metalls zum Sauerstoff der Luft in dem Grade gesteigert, daß sich Beide mit einander verbinden; seine Oberfläche bedeckt sich mit grünem, kohlensauerm Kupferoxyd. – Nun aber nehmen zwei Körper, welche die Fähigkeit haben, sich zu verbinden, in dem Moment, da sie sich berühren, entgegengesetzte Elektricitätszustände an. Daher wird, wenn wir das Kupfer mit Eisen berühren, durch Erregung eines besondern Elektricitätszustandes, die Fähigkeit des Kupfers, eine Verbindung mit dem Sauerstoff einzugehn, vernichtet: es bleibt auch unter den obigen Bedingungen blank.« – Die Sache ist bekannt und von technischem Nutzen. Ich führe sie an, um zu sagen, daß hier der Wille des Kupfers, durch den elektrischen Gegensatz zum Eisen in Anspruch genommen und beschäftigt, die für seine chemische Verwandtschaft zum Oxygen und Kohlensäure sich darbietende Gelegenheit unbenutzt läßt. Er verhält sich demnach gerade so, wie der Wille in einem Menschen, der eine Handlung, zu der er sonst sich bewogen fühlen würde, unterläßt, um eine andere, zu der ein stärkeres Motiv ihn auffordert, zu vollziehn.
Im ersten Bande habe ich gezeigt, daß die Naturkräfte außerhalb der Kette von Ursachen und Wirkungen liegen, indem sie die durchgängige Bedingung, die metaphysische Grundlage derselben, ausmachen und sich daher als ewig und allgegenwärtig, d.h. von Zeit und Raum unabhängig, bewähren. Sogar in der unbestrittenen Wahrheit, daß das Wesentliche einer Ursache , als solcher, darin bestehe, daß sie die selbe Wirkung, wie jetzt, auch zu jeder künftigen Zeit
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