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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Princip in ihm, der Archaeus. Was ist denn nun jene Jahrtausende hindurch gestorben? – Nicht der Hund, er steht unversehrt vor uns; bloß sein Schatten, sein Abbild in unserer an die Zeit gebundenen Erkenntnißweise. Wie kann man doch nur glauben, daß Das vergehe, was immer und immer daist und alle Zeit ausfüllt? – Freilich wohl ist die Sache empirisch erklärlich: nämlich in dem Maaße, wie der Tod die Individuen vernichtete, brachte die Zeugung neue hervor. Aber diese empirische Erklärung ist bloß scheinbar eine solche: sie setzt ein Räthsel an die Stelle des andern. Der metaphysische Verstand der Sache ist, wenn auch nicht so wohlfeil zu haben, doch der allein wahre und genügende.
    Kant , in seinem subjektiven Verfahren, brachte die große, wiewohl negative Wahrheit zu Tage, daß dem Ding an sich die Zeit nicht zukommen könne; weil sie in unserer Auffassung präformirt liege. Nun ist der Tod das zeitliche Ende der zeitlichen Erscheinung; aber sobald wir die Zeit wegnehmen, giebt es gar kein Ende mehr und hat dies Wort alle Bedeutung verloren. Ich aber, hier auf dem objektiven Wege, bin jetzt bemüht, das Positive der Sache nachzuweisen, daß nämlich das Ding an sich von der Zeit und Dem, was nur durch sie möglich ist, dem Entstehn und Vergehn, unberührt bleibt, und daß die Erscheinungen in der Zeit sogar jenes rastlos flüchtige, dem Nichts zunächst stehende Daseyn nicht haben könnten, wenn nicht in ihnen ein Kern aus der Ewigkeit wäre. Die Ewigkeit ist freilich ein Begriff, dem keine Anschauung zum Grunde liegt: er ist auch deshalb bloß negativen Inhalts, besagt nämlich ein zeitloses Daseyn. Die Zeit ist dennoch ein bloßes Bild der Ewigkeit, ho chronos eikôn tou aiônos , wie es Plotinos hat: und eben so ist unser zeitliches Daseyn das bloße Bild unsers Wesens an sich. Dieses muß in der Ewigkeit liegen, eben weil die Zeit nur die Form unsers Erkennens ist: vermöge dieser allein aber erkennen wir unser und aller Dinge Wesen als vergänglich, endlich und der Vernichtung anheimgefallen.
    Im zweiten Buche habe ich ausgeführt, daß die adäquate Objektität des Willens als Dinges an sich, auf jeder ihrer Stufen die (Platonische) Idee ist; desgleichen im dritten Buche, daß die Ideen der Wesen das reine Subjekt des Erkennens zum Korrelat haben, folglich die Erkenntniß derselben nur ausnahmsweise, unter besondern Begünstigungen und vorübergehend eintritt. Für die individuelle Erkenntniß hingegen, also in der Zeit, stellt die Idee sich dar unter der Form der Species , welches die durch Eingehn in die Zeit auseinandergezogene Idee ist. Daher ist also die Species die unmittelbarste Objektivation des Dinges an sich, d.i. des Willens zum Leben. Das innerste Wesen jedes Thieres, und auch des Menschen, liegt demgemäß in der Species : in dieser also wurzelt der sich so mächtig regende Wille zum Leben, nicht eigentlich im Individuo. Hingegen liegt in diesem allein das unmittelbare Bewußtseyn: deshalb wähnt es sich von der Gattung verschieden, und darum fürchtet es den Tod. Der Wille zum Leben manifestirt sich in Beziehung auf das Individuum als Hunger und Todesfurcht; in Beziehung auf die Species als Geschlechtstrieb und leidenschaftliche Sorge für die Brut. In Uebereinstimmung hiemit finden wir die Natur, als welche von jenem Wahn des Individuums frei ist, so sorgsam für die Erhaltung der Gattung, wie gleichgültig gegen den Untergang der Individuen: diese sind ihr stets nur Mittel, jene ist ihr Zweck. Daher tritt ein greller Kontrast hervor zwischen ihrem Geiz bei Ausstattung der Individuen und ihrer Verschwendung, wo es die Gattung gilt. Hier nämlich werden oft von einem Individuo jährlich hundert Tausend Keime und darüber gewonnen, z.B. von Bäumen, Fischen, Krebsen, Termiten u.a.m. Dort hingegen ist Jedem an Kräften und Organen nur knapp so viel gegeben, daß es bei unausgesetzter Anstrengung sein Leben fristen kann; weshalb ein Thier, wenn es verstümmelt oder geschwächt wird, in der Regel verhungern muß. Und wo eine gelegentliche Ersparniß möglich war, dadurch daß ein Theil zur Noth entbehrt werden konnte, ist er, selbst außer der Ordnung, zurückbehalten worden: daher fehlen z.B. vielen Raupen die Augen: die armen Thiere tappen im Finstern von Blatt zu Blatt, welches beim Mangel der Fühlhörner dadurch geschieht, daß sie sich mit drei Viertel ihres Leibes in der Luft hin und her bewegen, bis sie einen Gegenstand treffen; wobei sie oft ihr dicht daneben anzutreffendes

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