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Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)

Titel: Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Arthur Schopenhauer
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Futter verfehlen. Allein dies geschieht in Folge der lex parsimoniae naturae , zu deren Ausdruck natura nihil facit supervacaneum man noch fügen kann et nihil largitur . – Die selbe Richtung der Natur zeigt sich auch darin, daß je tauglicher das Individuum, vermöge seines Alters, zur Fortpflanzung ist, desto kräftiger in ihm die vis naturae medicatrix sich äußert, seine Wunden daher leicht heilen und es von Krankheiten leicht genest. Dieses nimmt ab mit der Zeugungsfähigkeit, und sinkt tief, nachdem sie erloschen ist: denn jetzt ist, in den Augen der Natur, das Individuum werthlos geworden.
    Werfen wir jetzt noch einen Blick auf die Stufenleiter der Wesen, mit sammt der sie begleitenden Gradation des Bewußtseyns, vom Polypen bis zum Menschen; so sehn wir diese wundervolle Pyramide zwar durch den steten Tod der Individuen in unausgesetzter Oscillation erhalten, jedoch, mittelst des Bandes der Zeugung, in der Gattung, die Unendlichkeit der Zeit hindurch beharren. Während nun also, wie oben ausgeführt worden, das Objektive , die Gattung, sich als unzerstörbar darstellt, scheint das Subjektive , als welches bloß im Selbstbewußtseyn dieser Wesen besteht, von der kürzesten Dauer zu seyn und unablässig zerstört zu werden, um eben so oft, auf unbegreifliche Weise, wieder aus dem Nichts hervorzugehn. Wahrlich aber muß man sehr kurzsichtig seyn, um sich durch diesen Schein täuschen zu lassen und nicht zu begreifen, daß, wenn gleich die Form der zeitlichen Fortdauer nur dem Objektiven zukommt, das Subjektive, – d.i. der Wille , welcher in dem Allen lebt und erscheint, und mit ihm das Subjekt des Erkennens , in welchem dasselbe sich darstellt, – nicht minder unzerstörbar seyn muß; indem die Fortdauer des Objektiven, oder Aeußern, doch nur die Erscheinung der Unzerstörbarkeit des Subjektiven, oder Innern, seyn kann; da Jenes nichts besitzen kann, was es nicht von Diesem zu Lehn empfangen hätte; nicht aber wesentlich und ursprünglich ein Objektives, eine Erscheinung, und sodann sekundär und accidentell ein Subjektives, ein Ding an sich, ein Selbstbewußtes seyn kann. Denn offenbar setzt Jenes als Erscheinung ein Erscheinendes, als Seyn für Anderes ein Seyn für sich, und als Objekt ein Subjekt voraus; nicht aber umgekehrt: weil überall die Wurzel der Dinge in Dem, was sie für sich selbst sind, also im Subjektiven liegen muß, nicht im Objektiven, d.h. in Dem, was sie erst für Andere, in einem fremden Bewußtseyn sind. Demgemäß fanden wir, im ersten Buch, daß der richtige Ausgangspunkt für die Philosophie wesentlich und nothwendig der subjektive, d.i. der idealistische ist; wie auch, daß der entgegengesetzte, vom Objektiven ausgehende, zum Materialismus führt. – Im Grunde aber sind wir mit der Welt viel mehr Eins, als wir gewöhnlich denken: ihr inneres Wesen ist unser Wille; ihre Erscheinung ist unsere Vorstellung. Wer dieses Einsseyn sich zum deutlichen Bewußtseyn bringen könnte, dem würde der Unterschied zwischen der Fortdauer der Außenwelt, nachdem er gestorben, und seiner eigenen Fortdauer nach dem Tode verschwinden: Beides würde sich ihm als Eines und das Selbe darstellen, ja, er würde über den Wahn lachen, der sie trennen konnte. Denn das Verständniß der Unzerstörbarkeit unsers Wesens fällt mit dem der Identität des Makrokosmos und Mikrokosmos zusammen. Einstweilen kann man das hier Gesagte sich durch ein eigenthümliches, mittelst der Phantasie vorzunehmendes Experiment, welches ein metaphysisches genannt werden könnte, erläutern. Man versuche nämlich, sich die keinen Falls gar ferne Zeit, da man gestorben seyn wird, lebhaft zu vergegenwärtigen. Da denkt man sich weg und läßt die Welt fortbestehn: aber bald wird man, zu eigener Verwunderung, entdecken, daß man dabei doch noch dawar. Denn man hat vermeint, die Welt ohne sich vorzustellen: allein im Bewußtseyn ist das Ich das Unmittelbare, durch welches die Welt erst vermittelt, für welches allein sie vorhanden ist. Dieses Centrum alles Daseyns, diesen Kern aller Realität soll man aufheben und dabei dennoch die Welt fortbestehn lassen: es ist ein Gedanke, der sich wohl in abstracto denken, aber nicht realisiren läßt. Das Bemühen, dieses zu leisten, der Versuch, das Sekundäre ohne das Primäre, das Bedingte ohne die Bedingung, das Getragene ohne den Träger zu denken, mißlingt jedesmal, ungefähr so, wie der, sich einen gleichseitigen rechtwinklichten Triangel, oder ein Vergehn oder Entstehn von Materie und

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