Die Welt als Wille und Vorstellung (German Edition)
unmöglich wird und jede Behauptung einer solchen, sei sie auf der einen oder der andern Seite, schlagenden Einwürfen unterliegt. Man könnte zwar behaupten, daß unser Wesen an sich nach dem Tode fortdauere, weil es falsch sei, daß es untergienge; aber eben so gut, daß es untergienge, weil es falsch sei, daß es fortdauere: im Grunde ist das Eine so wahr, wie das Andere. Hier ließe sich demnach allerdings so etwas, wie eine Antinomie aufstellen. Allein sie würde auf lauter Negationen beruhen. Man spräche darin dem Subjekt des Urtheils zwei kontradiktorisch entgegengesetzte Prädikate ab; aber nur weil die ganze Kategorie derselben auf jenes nicht anwendbar wäre. Wenn man nun aber jene beiden Prädikate nicht zusammen, sondern einzeln ihm abspricht, gewinnt es den Schein, als wäre das kontradiktorische Gegentheil des jedesmal abgesprochenen Prädikats dadurch von ihm bewiesen. Dies beruht aber darauf, daß hier inkommensurable Größen verglichen werden, insofern das Problem uns auf einen Schauplatz versetzt, welcher die Zeit aufhebt, dennoch aber nach Zeitbestimmungen fragt, welche folglich dem Subjekt beizulegen und ihm abzusprechen gleich falsch ist: dies eben heißt: das Problem ist transscendent. In diesem Sinne bleibt der Tod ein Mysterium.
Hingegen kann man, eben jenen Unterschied zwischen Erscheinung und Ding an sich festhaltend, die Behauptung aufstellen, daß der Mensch zwar als Erscheinung vergänglich sei, das Wesen an sich desselben jedoch hievon nicht mitgetroffen werde, dasselbe also, obwohl man, wegen der diesem anhängenden Elimination der Zeitbegriffe, ihm keine Fortdauer beilegen könne, doch unzerstörbar sei. Demnach würden wir hier auf den Begriff einer Unzerstörbarkeit, die jedoch keine Fortdauer wäre, geleitet. Dieser Begriff nun ist ein solcher, der auf dem Wege der Abstraktion gewonnen, sich auch allenfalls in abstracto denken läßt, jedoch durch keine Anschauung belegt, mithin nicht eigentlich deutlich werden kann. Andererseits jedoch ist hier festzuhalten, daß wir nicht, mit Kant , die Erkennbarkeit des Dinges an sich schlechthin aufgegeben haben, sondern wissen, daß dasselbe im Willen zu suchen sei. Zwar haben wir eine absolute und erschöpfende Erkenntniß des Dinges an sich nie behauptet, vielmehr sehr wohl eingesehn, daß, Etwas nach dem, was es schlechthin an und für sich sei, zu erkennen, unmöglich ist. Denn sobald ich erkenne , habe ich eine Vorstellung: diese aber kann, eben weil sie meine Vorstellung ist, nicht mit dem Erkannten identisch seyn, sondern giebt es, indem sie es aus einem Seyn für sich zu einem Seyn für Andere macht, in einer ganz andern Form wieder, ist also stets noch als Erscheinung desselben zu betrachten. Für ein erkennendes Bewußtseyn, wie immer solches auch beschaffen seyn möge, kann es daher stets nur Erscheinungen geben. Dies wird selbst dadurch nicht ganz beseitigt, daß mein eigenes Wesen das Erkannte ist: denn sofern es in mein erkennendes Bewußtseyn fällt, ist es schon ein Reflex meines Wesens, ein von diesem selbst Verschiedenes, also schon in gewissem Grad Erscheinung. Sofern ich also ein Erkennendes bin, habe ich selbst an meinem eigenen Wesen eigentlich nur eine Erscheinung: sofern ich hingegen dieses Wesen selbst unmittelbar bin, bin ich nicht erkennend. Denn daß die Erkenntniß nur eine sekundäre Eigenschaft unsers Wesens und durch die animalische Natur desselben herbeigeführt sei, ist im zweiten Buch genugsam bewiesen. Streng genommen erkennen wir also auch unsern Willen immer nur noch als Erscheinung und nicht nach Dem, was er schlechthin an und für sich seyn mag.
Allein eben in jenem zweiten Buch, wie auch in der Schrift vom Willen in der Natur, ist ausführlich dargethan und nachgewiesen, daß, wenn wir, um in das Innere der Dinge zu dringen, das nur mittelbar und von außen Gegebene verlassend, die einzige Erscheinung, in deren Wesen uns eine unmittelbare Einsicht von innen zugänglich ist, festhalten, wir in dieser als das Letzte und den Kern der Realität ganz entschieden den Willen finden, in welchem wir daher das Ding an sich insofern erkennen, als es hier nicht mehr den Raum, aber doch noch die Zeit zur Form hat, mithin eigentlich nur in seiner unmittelbarsten Manifestation und daher mit dem Vorbehalt, daß diese Erkenntniß desselben noch keine erschöpfende und ganz adäquate sei. In diesem Sinne also halten wir auch hier den Begriff des Willens als des Dinges an sich fest.
Auf den Menschen, als Erscheinung
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